Eine Meldung der DPA bedient sich antisemitischer Klischees

Eine sehr deutsche Presseagentur

Wie eine DPA-Meldung einmal etwas zu offen ausplauderte, wie es in Journalisten hierzulande über den ­jüdischen Staat und die US-Nahostpolitik denkt.

Ziehen die Juden hinter dem mächtigsten Mann der Welt die Strippen? Diesen Eindruck konnte man vergangene Woche bei der Lektüre der Stuttgarter Zeitung, von Focus Online oder auch des Greenpeace Magazins bekommen. Dort war zu lesen, dass US-Präsident Donald Trump »von einflussreichen jüdischen Parteispendern mit auf den Thron gehoben« worden sei. Die Formulierung stammte aus einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur (DPA) vom 14. Februar. Die verantwortlichen Korrespondenten Stefanie Järkel (Tel Aviv) und Michael Donhauser (Washington D.C.) gaben darin einen Ausblick auf das Treffen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netan­yahu mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten im Weißen Haus. »Israels Premierminister und politischer Unruheherd im Nahen Osten«, schreiben sie, sei »für die Amerikaner geliebter Feind und gehasster Freund zu gleichen Teilen«. Als Beispiel für »jüdische Parteispender« wird Sheldon Adelson genannt, über den die DPA weiß, dass er »schwerreicher Kasinounternehmer« ist und 65 Millionen Dollar für den Wahlkampf der Republikaner spendete. Auch der neue US-Botschafter in Israel, David M. Friedman, wird erwähnt: Er sei »Sohn eines Rabbis« und als »Hardliner in der Nahostfrage« bekannt. Selbstredend wird auch Trumps Berater und Schwiegersohn Jared Kush­ner thematisiert, allerdings nur als »Spross einer strenggläubigen jüdischen Familie«. Zum Konflikt heißt es, Netanyahu solle sich nicht zu sicher sein, da »eine Lösung der Palästinenserfrage« möglichst länger als die Präsidentschaft von Donald Trump halten solle.
Die Meldung der DPA enthält viele Bausteine, die man für moderne antisemitische Erzählungen verwenden kann: Jüdische Lobbyisten, die den US-Präsidenten finanzieren, strengreligiöse Juden, schwerreiche Unternehmer, Israel als Unruheherd im Nahen Osten und schließlich die »Lösung der Palästinenserfrage«, eine Formulierung, die an die »Endlösung der Judenfrage« erinnert.
Die Meldung rief umgehend Kritiker auf den Plan. Der Europa-Korrespondent der Jerusalem Post, Benjamin Weinthal, schrieb der DPA, es sei unfassbar, dass die Agentur »mit jüdischen Weltmacht- und Lobbyklischees und anderen Antisemitismen um sich« werfe. Darauf antwortete Chris Melzer, ein Sprecher der DPA: »Der Text hätte so nicht veröffentlicht werden sollen, wir bedauern das.« Eine neue Version der Meldung werde verschickt. Als der Bild-Journalist Björn Stritzel auf Twitter sarkastisch schrieb, die DPA entlarve ganz traditionell »einige sinistre Strippenzieher hinter Trump«, erhielt auch er den Hinweis, dass einige Formulierungen nicht den DPA-Standards entsprächen. In einer weiteren Nachricht an Weinthal war die Rede von einer »missverständlichen Fassung«.
Dass es jedoch nicht nur um eine missverständliche Fassung mit einigen fragwürdigen Formulierungen ging, zeigt die Neufassung der Meldung. Die gröbsten Entgleisungen – wie etwa die Behauptung, Trump sei von »einflussreichen jüdischen Parteispendern mit auf den Thron gehoben« worden – wurden zwar beseitigt. Auch ist nicht mehr die Rede von der »Lösung der Palästinenserfrage«, obschon diese Formulierung nicht Gegenstand der Kritik war. Doch die Stoßrichtung des Textes bleibt dieselbe. Weiterhin ist dort die Rede von Juden in Trumps Umfeld, von Friedman als »Sohn eines Rabbis« und Kushners Herkunft aus einer »strenggläubigen jüdischen Familie«. Auch der Hinweis auf die Spende Adelsons blieb erhalten, der allerdings nur noch als »Kasinounternehmer« geführt wird, ohne das Adjektiv »schwerreich«.
Der geneigte Leser kann sich auch von der überarbeiteten Version der Meldung sein Weltbild bestätigen lassen: Reiche und »strenggläubige« Juden in den USA haben starken Einfluss auf die Politik des Präsidenten, zugunsten der »rechts-religiösen Regierung« in Jerusalem. Die ursprüngliche Meldung, die nach wie vor unverändert in vielen Onlinemedien zu finden ist, war also gar nicht so missverständlich. Sie sprach nur zu offen aus, was gemeint war.