Sekt und Sozialismus

Hobbypolitik

Sekt und Sozialismus Von

Fechten, Krav Maga, Angeln, Jagen, Sportschießen, Joggen, Segeln, Spanisch, Friedrich Schiller. Was sich wie ein dubioser Vorbereitungskurs für eine Flucht nach Südamerika anhört, sind die Dinge, die mir einfielen, als ich nach einem Hobby suchte. Ein Hobby, richtig. Hatte ich je eines? Alles, was ich immer schon gerne gemacht habe, ist jetzt irgendwie Teil meines Berufs. Schnell stellten mich meine initialen Ideen vor ein Paket von Problemen und Fragen: Ist Tiere töten und sich auf Nahkampf vorbereiten überhaupt ein adäquates Hobby? Wie verhält es sich bei einer Linken so mit Hobbys? Was ist nicht mehr politisch korrekt? Ziemt es sich überhaupt, sich mit banalen Dingen zu beschäftigen, wenn es doch gilt, den Sozialismus aufzubauen? Und ist ein Hobby nicht auch nur der elendige Versuch, sich im System eine Verschnaufpause zu verschaffen, um weiter zu funktionieren? Politik ist kein Hobby. So viel steht schon einmal fest. Politik kann auch kein Hobby sein, dafür ist sie viel zu ernst. Vielleicht auch ein Grund, warum sie jede Minute frisst, warum Privates und Öffentliches so schwer trennbar sind, warum Menschen sich bis aufs Blut bekämpfen und diejenigen, für die Politik nur ein Hobby sein soll, schnell frustriert sind. Politik rund um die Uhr zu machen, ist überdies ungesund, was die runtergerockten Erscheinungen im Politbetrieb immer wieder beweisen. Das Bedürfnis, sich der Politik ab und an zu entziehen, ist also nachvollziehbar. Denn was soll das für ein Klassenkampf sein, bei dem alle erschöpft, ausgebrannt und angepisst sind? Dennoch hat das Hobby etwas Seltsames, etwas Spießbürgerliches an sich. Dass das liebste Hobby der Deutschen dem Freizeitmonitor von 2013 zufolge Fernsehen ist, hilft dem Image auch nur leidlich. Gleichzeitig führt der Freizeitmonitor »Gedanken nachgehen« als sehr beliebtes Hobby an. Vielleicht gibt es doch noch Hoffnung. Am Ende ist es mit Hobbys ähnlich wie mit allem in der kapitalistischen Moderne: Man muss Widersprüche aushalten. Dann können Linke auch Schießen lernen. Nicht nur als Vorbereitung für die Revolution, auch wenn es streng genommen nicht schadet, sondern als Erfahrung, als Sich-selbst-Ausprobieren und -Kennenlernen. Wenn Hobbys helfen, über sich selbst etwas zu verstehen, dann ist das gut. Wie es mit meinen Hobbys weiterging? Nun, beim Fechtkurs war ich alleine und er fiel aus, Krav Maga und Joggen sind körperlich verdammt anstrengend und einen Jagdschein zu erwerben, ist ein Teilzeitjob. Spanisch dagegen lässt sich auf einer Onlineapp gut lernen, bei der Waffenschule stehe ich auf der Warteliste, mit einer Angel alleine an der Spree zu sitzen ist verlockend – nicht zuletzt, weil es recht wenig Bewegung involviert und rauchen und trinken möglich sind – und Friedrich Schiller lässt sich prima auf einem Boot lesen. Vielleicht wird die Flucht nach Südamerika ja doch noch notwendig. Das ist schließlich auch so ein Hobby der Deutschen.