Homestory #16

In früheren Zeiten dachte man als Linker, eine Diktatur müsse den Menschen mit aller Gewalt aufgezwungen werden. Oft war das ja auch so. Der Militärputsch in der Türkei im Jahr 1980 war zwar wohl populärer, als man es damals wahrhaben wollte. Aber es war wenigstens noch ein richtiger Militärputsch mit allem drum und dran: rollende Panzer, blasierte Generäle mit Spiegelsonnenbrillen, was eben dazugehört. Aber so muss es nicht laufen. Die damals kaum hinterfragte Ansicht, der Mensch an sich strebe nach der Freiheit, war ein Irrglaube. Immer häufiger drängen die Menschen zu den Urnen, um einen Rechtpopulisten oder Rechtsextremen zu ihrem geliebten Führer zu erheben. Mag sein, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein wenig nachgeholfen hat, weil nicht genug Ja-Stimmen zusammengekommen waren (siehe Seite 12). Aber die eigentliche Frage ist ja, warum überhaupt jemand solche Leute wählt, deren Charisma sich nur den wahren Gläubigen erschließt. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Am 23. April findet in Frankreich die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt, die, wenn solche journalistischen Phrasen in der Jungle World nicht verboten wären, als Schicksalswahl bezeichnet werden würde. 
Falls das nun auch noch schiefgeht, gilt vielen ausländischen Beobachtern Deutschland als größte Hoffnung für die Zukunft der Demokratie. Das sagt eigentlich schon genug über den Ernst der Lage. Also auswandern? In Tel Aviv beginnt dieser Tage die Strandsaison. Aber wovon soll man da leben? Bei den exorbitanten Bier- und Zigarettenpreisen dort ein schwer lösbares Problem. Die USA? Kein günstiger Zeitpunkt, lieber erstmal abwarten. Kanada? Zu kalt. Irgendwas in Lateiname … – aber halt. Wir haben ja, fast hätten wir’s verdrängt, eine Mission. Irgendwas mit Freiheit, Emanzipation und so, Sie wissen schon. Also weitermachen. Es gibt ja auch Dinge, auf die man sich freuen kann. Zum Beispiel sollte dieser Tage selbst in diesen unwirtlichen Landstrichen der Frühling beginnen, die Blümlein sprießen, oder auch, falls Sie wie der letzte linke Kleingärtner (Seite 9) Nutzpflanzen bevorzugen, die Zuckererbsen. Es ist wohl respektlos, die Kleingärtnerei als schnödes Hobby zu bezeichnen, eher ist es eine Berufung, eine Mission. Aber wohl auch ein Mittel, die düsteren Seiten der Welt zeitweilig aus den Augen zu verlieren. Wer seine Zuckererbsen hegt und pflegt, denkt nicht an Erdoğan. Aber das Gärtnern gilt vielen Linken immer noch als reaktionär und spießig, wer es dennoch tut, spricht darüber so ungern wie über seine Hämorrhoiden. Das muss nicht sein! Auch in dieser Redaktion gibt es übrigens mindestens eine Schrebergärtnerin. 
Also zeigen Sie uns Ihren linken Kleingarten und gewinnen Sie mit etwas Glück ein Vierteljahresabo der Jungle World. Einsendeschluss ist der 25. April. An diesem Tag wissen Sie auch schon etwas mehr über die Zukunft der Demokratie. Kenntnisse über Nutzpflanzen können Sie übrigens auch als Auswanderer vielleicht gebrauchen.