Marokkos neue Regierung und der Konflikt unter und mit den Islamisten

Königstreue lohnt sich

In Marokko hat der König Anfang April eine neue Regierungskoalition ernannt. Dem vorausgegangen waren Konflikte mit und in der islamistischen Partei PJD.

Die marokkanischen Islamisten sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Zumindest was die ideologische Standfestigkeit der an der Regierung beteiligten Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) betrifft. Am Mittwoch dieser Woche soll es eine Abstimmung über das am 6. April ernannte neue Kabinett von Ministerpräsident Saadeddine al-Othmani (PJD) geben, das von einer Koalitionsregierung aus sechs Parteien getragen wird. Es war erwartet worden, dass viele PJD-Parlamentsabgeordnete der künftigen Regierung ihr Vertrauen verweigern würden. Daraufhin wurden viele der Abweichler mit relativ gut dotierten Posten im Parlamentsbetrieb – etwa als Ausschussvorsitzende – bedacht. Die meisten von ihnen ließen sich damit offenbar abspeisen. Die parteiinterne Opposition brach Anfang dieser Woche zusammen.
Am 15. März war al-Othmanis Vorgänger, der seit 2011 amtierende Ministerpräsident Abdelilah Benkirane, von König Mohammed VI. abgesetzt worden, da es ihm fast ein halbes Jahr nach den Wahlen immer noch nicht gelungen war, eine neue Regierung zu bilden. Benkirane gehört ebenfalls dem PJD an und zählt zu den Verlierern der jüngsten Regierungsbildung. Vorige Woche verzichtete er sogar auf sein Mandat als Parlamentsabgeordneter. Damit einher geht auch eine Richtungsentscheidung, denn während Benkirane als profilierter PJD-Politiker gilt, wird al-Othmani als eher kompromissfreudig bezeichnet.

Die am 1. Juli 2011 unter dem Druck der Revolten und Demonstrationen in Nordafrika per Referendum verabschiedete neue Verfassung, die das Königreich Marokko etwas demokratisierte, setzt der Entscheidungsvollmacht des Monarchen bei der Bildung und Entlassung einer Regierung engere Grenzen als zuvor. Den Ministerpräsidenten muss er nun aus den Reihen der stärksten im Parlament vertretenen Partei auswählen.

Die stärkste Kraft war nach den Wahlen vom 7. Oktober 2016, wie bei denen fünf Jahre zuvor, der PJD. Man ging davon aus, dass der bisherige Ministerpräsident Benkirane erneut amtieren würde. Es folgten jedoch sechs Monate politischer Blockade, da er es nicht schaffte, in dem zersplitterten Parlament eine Mehrheit zusammenzubekommen. Vor allem die nicht an der Regierung beteiligte, aber dem Thron nahestehende Partei für Authentizität und Moderne (PAM) des Geschäftsmanns Aziz Akhannouch nutzte ihren Einfluss, um andere Parteien dazu zu bewegen, sich querzustellen.

Benkirane hatte fünf Jahre lang mit der ehemals kommunistischen Partei für Fortschritt und Sozialismus (PPS) und zwei Honoratiorenparteien koaliert. Doch in den vergangenen Monaten verfolgte Benkirane die Strategie, eine rechte Koalition mit der nationalistisch-konservativen Partei Istiqlal (Unabhängigkeit) zu bilden, die bereits 2012 vorübergehend seinem Kabinett angehört hatte. Dagegen opponierte das Königshaus, das lieber eine schwache oder zersplitterte Regierung als eine auf relativ starke Parteien gestützte im Amt sieht.

Akhannouch, unterstützt von den Institutionen der Monarchie, drängte auf die Einbindung der sozialdemokratischen Partei USFP statt der rechten Partei Istiqlal in die Regierung. Trotz mancher sozialpolitischer Reformansätze muss die USFP, die erstmals 1998 unter dem damaligen, tyrannisch regierenden Monarchen Hassan II. mit der Kabinettsbildung betraut wurde, heute als pflegeleicht und an die Institutionen der Monarchie angepasst gelten.
Akhannouch und seine Mitstreiter setzten sich durch, trotz des Widerstands Benkiranes, dem daraufhin vom König die Aufgabe der Kabinettsbildung entzogen wurde. Die Mehrheit der PJD-Islamisten entschied sich letztlich für Anpassung im Rahmen eines Kabinetts, in dem sie nur eine von sechs Regierungsparteien darstellt, neben dem PPS, der USFP und drei Honoratiorenparteien.