Exklusiver als Segelclubs

Von allen Konsumgütern seien die legitimen Kunstwerke die am stärksten »klassifizierenden und Klasse verleihenden«, so der Soziologe Pierre Bourdieu. Der Umgang mit bildender Kunst bestätigt die soziale Stellung und nährt bildungsbürgerliche Attitüden. Selbst reiche Menschen, die kein Interesse an Literatur- und Kunstgeschichte haben, vergewissern sich ihres Reichtums mittels avancierter und teurer Kunst.
Diesen Gedanken hat der Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich zur zentralen These seines neuen Buchs »Siegerkunst. Neuer Adel, teure Kunst« gemacht. Ohne auf Bour­dieu einzugehen, formuliert Ullrich eine für Kunstliebhaber niederschmetternde Diagnose: Das Kunstsystem sei eines der »Siegerkunst« geworden, ein Spiel von Gewinnern künstlerischer Anerkennung und Ort der Prestigesteigerung für Gewinner immensen finanziellen Reichtums.
Im Kunstbetrieb, der von Superstars wie Damien Hirst oder Jeff Koons geprägt ist, die ihre von rund um die Uhr arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefertigten Werke bloß noch abnehmen wie Betriebskontrolleure, ist die grundlegende Skepsis gegenüber dem schnöden Mammon längst Geschichte. Geld regiert die Formate der Werke und die Ausstellungen. Inhaltliche Ausrichtungen gelten als schwerfällig und unflexibel, gefragt sind nicht mehr leidende Schöpfer, sondern »kreative Unternehmer«. Und die Leute, die sich mit der teuren Kunst umgeben können, sind keine Öffentlichkeit mehr, sondern besondere Milieus, »noch kleiner und ­exklusiver als Segelclubs«.
Kunstgeschichte müsse daher endlich Besitzverhältnisse in den Blick nehmen, so der Autor. So weit, so richtig. Dann aber schreibt Ullrich Verfallsgeschichte: »Widerstand, Revolte und Systemkritik« innerhalb der Kunst ist ihm bloß »Dienst­leistung für den Markt der Siegerkunst«. Ja sicher. Aber eben nicht nur.
Wolfgang Ullrich: Siegerkunst. Neuer Adel, teure Lust. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2016, 160 Seiten, 16,90 Euro