Der US-Präsident hat den FBI-Direktor entlassen. Über seine Motive wird ­gerätselt

Feuern und verwirren

Die Entlassung des FBI-Direktors James Comey durch US-Präsident Donald Trump wirft unangenehme Fragen auf.

Bevor Donald Trump in das Amt des US-Präsidenten gewählt wurde, spielte er elf Jahre lang im Fernsehen eine für ihn ungewöhnliche Rolle: den fähigen Entscheidungsträger. Bekannt wurde er dabei vor allem durch den kernigen Satz: »Sie sind gefeuert!« Doch als ihn nach nur knapp drei Monaten im Amt die Laune überkam, den FBI-Direktor James Comey zu entlassen, ließ Trump die Botschaft lieber von einem Handlanger überbringen. Es war sein Leibwächter Keith Schiller, der am 9. Mai das Kündigungsschreiben zum FBI brachte. Comey hielt sich zu dem Zeitpunkt in einer Außendienststelle in Los Angeles auf und erfuhr erst in den Fernsehnachrichten von seiner Entlassung.

James Comey ist bereits der dritte Bundesbeamte, der inmitten einer laufenden Ermittlung gegen Trump und sein Wahlkampfteam
entlassen wird.

Es war das unwürdige Ende einer bemerkenswerten und mitunter kontroversen Karriere. Als Staatsanwalt führte Comey Prozesse gegen allerlei Gesetzesbrecher, von Mafiabossen bis hin zur prominenten Fernsehköchin Martha Stewart, die wegen dubioser Aktienverkäufe belangt wurde. George W. Bush ernannte Comey zum stellvertretenden Justizminister, Barack Obama berief ihn zum FBI-Direktor – ein dem Anspruch nach unpolitisches Amt. Doch im Sommer 2016, in der heißen Phase der US-Präsidentschaftswahl, wurde das FBI, das gerade Hillary Clintons Mailserver untersuchte, in den Wahlkampf gezerrt. Als Bill Clinton sich im Juni 2016 mit der damaligen Justizministerin Loretta Lynch auf einem Flughafen in Arizona traf, werteten viele das als einen Versuch des ehemaligen Präsidenten, Einfluss auf das FBI zu nehmen. Einem Artikel in der New York Times vom 22. April 2017 zufolge sah sich Comey damals gezwungen, den Eindruck der Unparteilichkeit zu wahren. Er rügte Clinton in einer öffentlichen Pressekonferenz, Anklage erhob er jedoch nicht. Als am 28.

Oktober das FBI weitere dienstliche  E-Mails von Clinton auf einem privaten Server entdeckte, setzte Comey den US-Senat davon schriftlich in Kenntnis, doch sein Brief geriet an die Öffentlichkeit. Das trug mit dazu bei, dass Hillary Clinton zwölf Tage später die Wahl verlor.

All dies führte der neue stellvertretende Justizminister Rod Rosenstein in einem Memorandum vom 9. Mai an, um seine Meinung zu begründen, dass Comey als FBI-Direktor nicht mehr tragbar sei. »Ich kann die Handhabung der Ermittlung von Clintons E-Mails nicht gutheißen«, so Rosenstein. »Fast jeder ist der Meinung, der Direktor habe ernsthafte Fehler gemacht.« Aber Rosenstein warnte in seinem Schreiben auch, dass die Entscheidung, einen FBI-Chef zu entlassen, »nicht leichtfertig getroffen werden darf«. Doch genau so kam es. Noch am selben Tag leitete Justizminister Jeff Sessions das Memorandum ans Weiße Haus weiter und Trump schrieb sofort den Kündigungsbrief, den sein Leibwächter daraufhin überbrachte.

Ganz so eilig hat Trump es nicht immer. Als beispielsweise am 26. Januar dieses Jahres die damalige stellvertretende Justizministerin Sally Yates das Weiße Haus davon in Kenntnis setzte, dass der Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn durch seine Kontakte zur russischen Regierung kompromittiert sei, wartete Trump 18 Tage, bis er Flynn schließlich entließ. Und er tat es wohl nur, weil der Druck aus der Presse zu groß wurde.

Warum wollte er Comey binnen weniger Stunden loswerden? Diese Frage beschäftigt das ganze Land. Gegen Ende des Wahlkampfs war Trump ein großer Bewunderer Comeys, Clinton hingegen bezeichnete er als korrupt und kriminell. Nun soll Trump den FBI-Direktor aus Anteilnahme für Hillary Clinton entlassen haben – das ist absurd. Im Übrigen ist Comey bereits der dritte Bundesbeamte, der inmitten ­einer laufenden Ermittlung gegen Trump und sein Wahlkampfteam entlassen wird. Die anderen beiden sind Sally Yates und Preet Bharara, der Staatsanwalt des südlichen Distrikts von New York war. Der Präsident scheint nicht geahnt zu haben, welchen Shitstorm er mit Comeys Entlassung auslösen würde. Angeblich habe Trump vor dem Fernseher getobt, wann immer Comey zu sehen war. Der Präsident hielt die Entlassung offenbar für eine völlig unproblematisch, wie die Politwebsite Politico.com berichtete.

Die Pressekonferenzen des Weißen Hauses waren in der vergangenen Woche ein Ausbund an Peinlichkeiten und falschen Behauptungen. Mit Russland, so die stellvertretende Pressesprecherin Sarah Huckabee Sanders, habe Comeys Entlassung nichts zu tun. Als der Präsident am Donnerstag vergangener Woche persönlich vor die Kameras trat, um endlich Klarheit zu schaffen, goss er nur Öl ins Feuer. Freimütig gab er zu, die Entscheidung zur Entlassung bereits vor dem Rosenstein-Memorandum ­getroffen zu haben, und strafte damit seine Sprecher Lügen. Aber vor allem offenbarte er frohgemut, dass er dabei in der Tat an die »Russland-Sache« gedacht habe.

Die »Russland-Sache« – die mutmaßliche Absprache zur Wahlmanipulation zwischen Trumps Team und der russischen Regierung – streitet der Präsident energisch ab. Vielleicht ein wenig zu energisch. Ist es ein Zufall, dass einen Tag vor Comeys Entlassung sowohl ­Yates als auch der ehemalige Nationale Geheimdienstdirektor James Clapper vor einem Senatsausschuss aussagten und andeuteten, die Russland-Ermittlung könne noch weite Kreise ziehen? Zumindest ist es nicht sonderlich vertrauenserweckend, dass Trump nach eigener Aussage den FBI-Direktor absetzen ließ, gerade weil dieser mit der Aufsicht über diese Untersuchung beauftragt war. »Der Zeitpunkt der Entlassung ist beunruhigend«, so der republikanische Senator Ben Sasse. Ob des öffentlichen Aufschreis bangen die Republikaner wieder einmal um die Midterm-Elections im kommenden Jahr. Die Demokraten beharren nun auf der Einsetzung eines Sonderermittlers.

Fest steht, dass mehrere Personen in Trumps direktem Umfeld während des Wahlkampfs und kurz danach Kontakte zur russischen Regierung hatten. Dazu zählen sein ehemaliger Wahlkampfleiter Paul Manafort und sein Schwiegersohn Jared Kushner sowie Justizminister Jeff Sessions, der seine Treffen vor der US-Öffentlichkeit zu verbergen suchte – und der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn, der nach heimlichen Treffen mit dem russischen Botschafter Sergej Kisljak zum Rücktritt gezwungen wurde. Flynn bekam nur einen Tag nach Comeys Entlassung eine Vorladung vom Senat ausgehändigt – er wird in Kürze unter Eid aussagen müssen.

Trump hat sich mit der Entlassung keinen Gefallen getan, denn die Untersuchung geht vorerst weiter. Er hat sich vielmehr geschadet, als er zuerst im Kündigungsschreiben und später auch in einem Fernsehinterview behauptete, Comey habe ihm drei Mal versichert, dass die Ermittlung des FBI nicht Trump persönlich betreffe. Das ist erstens kaum denkbar, denn die ­Untersuchung eines Wahlkampfteams müsste zwangsläufig auch den Chef dieses Teams beinhalten, und zweitens stellt es eine Einflussnahme auf die Strafermittlung dar, wenn Trump den FBI-Direktor anruft und um Informa­tionen bittet. Ganz abgesehen davon, dass der Präsident mit seiner öffent­lichen Aussage zum Fall womöglich auch in Zukunft auf sein Schweigerecht verzichtet.

Es ist auch denkbar, dass es nie eine Absprache zwischen Trump und der russischen Regierung gegeben hat. Vielleicht fürchtet Trump lediglich, die ständigen Vermutungen russischer Einmischung könnten seinen Wahlsieg schmälern. Oder er war gekränkt, weil Comey ihm bei einem Abendessen im Weißen Haus im Januar dieses Jahres angeblich die Treue verweigerte. Vielleicht schwelgt auch die Opposition in Verschwörungstheorien, weil man Trump so gerne los wäre.

Der US-Journalist und Trump-Kenner Josh Marshall hat auf der Website Talkingpointsmemo.com eine »unschuldige These« aufgestellt, die alle bis­herigen Fakten in Betracht zieht und Trumps Verhalten durchaus schlüssig erklärt: Trump war wegen finanzieller Probleme Ende der neunziger Jahre ­gezwungen, Kredite im Ausland aufzunehmen, insbesondere in Russland. ­Soviel ist bekannt. Nun sei es gut möglich, dass die Sanktionen gegen Russland auch Trump behindern, was wiederum seine so herzliche Einstellung zu Wladimir Putin erklären könnte. Putin könnte darin eine Chance gesehen und versucht haben, Trump bei der US-Wahl zu unterstützen. Er muss ihn nicht zwangsläufig davon in Kenntnis gesetzt haben. Schließlich wäre das Großmaul Trump der Letzte, den man bei einer geheimen Verschwörung ­dabeihaben will. Die These ist zwar schlüssig, aber sonderlich »unschuldig« wirkt Trump auch hier nicht gerade – in diesem Szenario hat er zumindest ungesunde finanzielle Verwicklungen in Russland.

Als wollte er alle daran erinnern, hat Trump nur einen Tag nach der Entlassung Comeys den russischen Außenminister Sergej Lawrow im Weißen Haus empfangen, die US-Presse war vom Treffen ausgeschlossen. Pikanterweise kam Lawrow nicht allein, sondern brachte den Botschafter Sergej Kisljak mit ins Oval Office, mit dem sich seinerzeit Flynn heimlich getroffen hatte. Die Besprechung wurde von einem Fotografen der russischen Nachrichtenagentur Tass festgehalten und zur Blamage der US-Regierung ins Internet gestellt – für Putin ein weiterer Propagandasieg.

Trump drohte dem ehemaligen FBI-Direktor Comey per Twitter, es gebe womöglich heimliche Aufzeichnungen ihrer Gespräche. Sollte das stimme, wäre das ein eklatanter Verstoß gegen geltende Normen. Seit Ende der Amtszeit Richard Nixons (1969–1974) werden Gespräche im Weißen Haus nicht mehr aufgezeichnet, schließlich kann der Kongress die Offenlegung solcher Mitschnitte jederzeit anordnen.

Bei all dem Chaos um Trump überrascht es nicht, dass manche Demokraten, beispielsweise die Kongressabgeordnete Maxine Waters aus Los Angeles, wieder einmal offen von einer Amtsenthebung reden. Bislang ist das Wunschdenken, denn dafür ist eine Zweidrittelmehrheit im Senat nötig und noch steht der Großteil der Republikaner zum Präsidenten. Einige we­nige Senatoren, darunter Jeff Flake aus Arizona und Dean Heller aus Nevada, distanzieren sich bereits merklich vom Präsidenten. Das könnte bei der Ernennung von Comeys Nachfolger Schwierigkeiten bereiten, denn dieser muss vom Senat bestätigt werden und manche Senatoren gehen von einer neuen Schlammschlacht aus. Den meisten wäre es wohl am liebsten, wenn es ausnahmsweise einmal keinen Skandal gäbe und man wieder zum Tagesgeschäft zurückkehren könnte. Aber für Trump ist das das Tagesgeschäft: Sein Markenzeichen ist Chaos.