Anne Imhofs Performance »Faust«

Model-Villa mit Dobermann

»Faust« ist Ideologie gewordener Pessimismus

»Faust« im deutschen Pavillon: Für ihre fünfstündige Performance hat Anne Imhof bei der 57. Kunstbiennale in Venedig den Preis für den besten nationalen Beitrag erhalten. Deutsch geht es in dem von der 39jährigen Frankfurter Künst­lerin bespielten Nazibau in der Tat zu. Einen hohen Zaun ließ sie um das Gebäude ziehen, Dobermänner über das Gelände wachen. Junge Frauen und Männer in dunklen Adidas-Anzügen singen pathetische Lieder, räkeln sich mit den Wachhunden oder liegen apathisch auf dem Boden. Den ­Innenraum hat Imhof mittels Glaswänden parzelliert und einen transparenter Boden eingezogen, auf dem sich Zuschauer auf und über der Performance bewegen. Ein kulturbeflissenes Publikum erkennt darin vielleicht einen interessanten Eingriff in die Architektur des 1909 errichteten Pa­villons, der nach wie vor von den baulichen Veränderungen dominiert wird, die die Nationalsozialisten 1938 vorgenommen haben. Gegen Imhofs Performances wurde bisweilen eingewandt, ihre hippen Models unterschieden sich kaum von dem trendigen Kunstpublikum, das sich von ihren Inszenierungen angezogen fühlt. Die transparente Aquariumsarchitektur trennt die beiden Sphären nun, um sie an bestimmten Stationen der Performance wieder zusammenzuführen.

Imhof scheint immer alles richtig zu machen, ihre Karriere verläuft rasant. 2015 erhielt sie den begehrten Preis der Nationalgalerie, woraufhin sie im folgenden Jahr die Performance »Angst II« in Berlins Hamburger Bahnhof zeigte. Die Verwandtschaft der Bilder, Gesten und Motive mit denen der »Faust«-Inszenierung ist offenbar gewollt. Die depressed youth gibt sich die Klinke in die Hand. Die große Halle des Museums in Rauch gehüllt, ins Nichts führende Wendeltreppen, getragene Musik, über den Köpfen der Pepsi trinkenden Schauspielerinnen kreisen Drohnen. Ein Falke wird hereingebracht. Ja, die Welt war und ist schlecht, und die Kunst kann nicht ­anders, als diesen Zustand hilflos zu verdoppeln und zu verkitschen. Die Sehnsucht nach der Apo­kalypse, wie sie im Zuge der Debatte über Posthumanismus in der Kunst populär geworden ist, kommt hier zur Vollendung.

Kulturpessimismus verdrängt dabei die Anstrengungen der Kulturkritik. Imhofs mit faschistoider Symbolik hochgepitchte Arbeiten bleiben im radical chic gefangen, beanspruchen aber dennoch, »kritische« Kunstproduktion zu sein. Ihre Kunst befördere das Bedürfnis nach Reflexion und beantworte »wichtige Fragen unserer Zeit«, findet die Jury in Venedig in ihrer Begründung. Die Antworten aber sind lediglich Platitüden, wie sie auch die Kuratorin des deutschen Pavillons in Venedig, Susanne Pfeffer, in einem Interview mit der ARD zum Besten gibt, etwa wenn sie fragt, ob nicht mittlerweile die Menschen selbst zur Ware geworden seien.

Aber was bedeutet diese Äußerung, die sich ohne jedes Verständnis marxistischer Terminologie bedient, im Kontext der Performance? Die jungen Models im aufdringlich Authentizität suggerierenden pure look sitzen in einer Villa in Venedig, über deren Eingang noch die Schatten der Aufschrift »Germania« zu lesen sind, und kuscheln mit dem Wachhund, der nicht zufällig ein Dobermann ist: Hunde dieser Rasse wurden bevorzugt in deutschen Konzentrationslagern eingesetzt. Unentwegt werden sie dabei von der Kulturschickeria beobachtet und fotografiert. Der Wert, er macht die Menschen zu »Zombies«, sagt Pfeffer, und unter der Sonne Italiens lehnt man sich so symbolisch wie folgenlos dagegen auf. Wer so effektvoll mit den Insignien der deutschen Geschichte hantiert, hat sich für die Regie bei den Wagner-Festpielen qualifiziert. Nach Jonathan Meese auch nur konsequent.