Die Ernennung zweier Vizepräsidentinnen im Iran hat keine größere Freiheit für Frauen zur Folge

Nicht ohne deinen Tschador

Der iranische Präsident Hassan Rohani hat zwei Vizepräsidentinnen ernannt. An der Frauenunterdrückung ändert das nichts.

Viele seiner Anhängerinnen und Anhänger sind enttäuscht. In dem Kabinett, das der iranische Präsident Hassan Rohani Anfang August vorstellte, werden alle Ministerposten an Männer vergeben. Das Parlament hat es jetzt – mit einer Ausnahme – bestätigt. Das sei eine »Blamage«, sagte Faezeh Rafsanjani, die Tochter des im Januar verstorbenen ehemaligen Präsidenten Hashemi Rafsanjani, in einem Gespräch mit der Zeitung Qanun: »Warum sollte eine Frau nicht Ministerin werden? Welche Antworten hat Rohani denn für die iranischen Frauen?« Der Präsident müsse doch wissen, dass viele Frauen ihn gewählt hätten, damit ihre Forderungen erfüllt werden.

Am Tag nach der Vorstellung des Kabinetts ernannte Rohani dann zwei Vizepräsidentinnen. Masoumeh Ebtekar ist für Frauen und Familie zuständig, Laya Joneydi für Rechtsfragen. Ein Einsatz für die Rechte der Frauen im engen Rahmen der islamistischen Diktatur ist von beiden nicht zu erwarten.

Ebtekar war an der Geiselnahme beteiligt, bei der in Teheran 52 US-amerikanische Diplomaten vom 4. November 1979 bis zum 20. Januar 1981 festgehalten wurden. Sie hat ein Buch über diese Geiselnahme geschrieben, das den Beifall des Obersten Führers Ali Khamenei fand. Er beklagte lediglich, dass dieses Buch keinen Verlag in den USA gefunden habe. Ebtekar ist Mitglied der Partizipationsfront, die zum reformislamistischen Flügel des Regimes gehört, und war unter der Präsidentschaft Mohammed Khatamis acht Jahre lang Leiterin der Umweltschutzbe­hörde.

Laya Joneydi ist promovierte Juristin und hat unter anderem an der Harvard-Universität studiert, sich aber für die Unterstützung der islamistischen Diktatur entschieden. Sie ist eine Apologetin der iranischen Strafgesetzgebung und der Verfassung, in der die islamische Staatsdoktrin festgeschrieben ist. Als Akademikerin hat sie bisher nur einen sogenannten Manto und ein Kopftuch getragen. Viele Iranerinnen tragen anstatt eines Tschadors einen Manto, eine Art langer Jacke, und ein buntes Kopftuch. Diese Form des Widerstands gegen die strikten Bekleidungsvorschriften wird geduldet. Erwünscht ist der Manto nicht, und seit Joneydi Vizepräsidentin ist, trägt sie den schwarzen Schleier, die vom Regime bevorzugte Uniform für Frauen.
Unter anderem diese Anpassung kritisieren Iranerinnen nun, wie Tweets und Kommentare zeigen, die auf der persischsprachigen Website von Radio Free Europe/Radio Farda veröffentlicht wurden. So stellt die Journalistin Masoumeh Nasseri fest, dass Joneydi auf Anweisung Rohanis nun einen Tschador trage, wie ihn Ebtekar bereits zuvor auf Anweisung Khatamis angelegt habe. Mariam Sadat schrieb auf Twitter: »Man hat ihr einen Schleier angezogen. Sie kann noch nicht einmal ihre elementaren Rechte behalten. Worauf hoffen wir denn?« Zitiert wird auch eine Person namens Tolu, die die Anpassung für richtig hält: »Ich denke, man muss den Schleier loben. Dieser ist notwendig, damit die Frauen in die Arena drängen können. Wenn sie viele werden, können sie durchsetzen, was sie anziehen wollen.«

Der Journalist Mojtaba Najafi twitterte: »Wenn die politische Struktur des Staates Heuchelei verbreitet, was kann man dann von der Bevölkerung erwarten? Die Sekretärin des Präsidenten trug früher einen Manto und jetzt einen Schleier. Die Wurzel unseres Elends ist die Heuchelei.« Zudem zitiert Radio Free Europe/Radio Farda eine Person namens Hamid mit den Worten: »Die Regierung hat zunächst mit der Berufung einer ein Kopftuch tragenden Akademikerin einen Schritt nach vorne getan, doch mit deren Verschleierung hat sie den Rückwärtsgang eingelegt.« Nahid Molavi fordert: »Macht so etwas nicht. Habt Respekt vor der Intelligenz und der Wahl der Menschen.«

Das ist unter dem Regime der Ayatollahs nicht vorgesehen, auch wenn Rohani nun Shahindokht Molaverdi als Beraterin für islamische Bürgerrechte eingestellt hat. Millionen von Iranerinnen kämpfen offen und verdeckt für ihre Freiheit. Auf der Website My Stealthy Freedom (Meine heimliche Freiheit) veröffentlichen Iranerinnen seit mehreren Jahren Fotos, auf denen sie unverschleiert und auch ohne Kopftuch in der Natur oder in einsamen Gassen zu sehen sind. Auf der Facebook-Seite von My Stealthy Freedom wurde Anfang August gemeldet, dass sechs Frauen von Revolutionswächtern verhaftet worden seien, weil sie – sogar Kopftücher tragend – auf einer Straße getanzt hatten; ein Video dieser tanzenden jungen Frauen fand in den sozialen Medien Verbreitung. Iranische Frauen riskieren schon mit harmlosen Alltagsbetätigungen und Verstößen gegen die Kleiderordnung eine Verhaftung. Dennoch zeigen sich viele in Videobotschaften ohne jegliche Kopfbedeckung.

Auch das unkontrollierte Zusammentreffen von Frauen und Männern soll unterbunden werden. So wurden Anfang August 64 junge Frauen und Männer verhaftet, die heimlich eine Poolparty gefeiert hatten. Geht es um patriarchale Bedürfnisse, zeigt sich das Regime hingegen entgegenkommend. Die in der Theologie umstrittene islamische Zeitehe ist gestattet, faktisch ermöglicht das legale Prostitution. Viele Iranerinnen kritisieren diese vom Staat institutionalisierte Prostitution, für andere ist die Zeitehe religiös legitimiert, sie könne also nicht untersagt, sondern lediglich marginalisiert werden.

Nach 38 Jahren islamistischer Diktatur – unter Rohani ebenso wie zwischen 1997 bis 2005 unter Mohammed Khatami, einem ebenfalls angeblich moderaten Präsidenten – ist keine Verbesserung der Menschrechtslage zu verzeichnen. Die Hoffnung im Westen auf reformorientierte Islamisten ist ­daher bestenfalls naiv. Dass Rohani zwei Frauen Posten ohne Macht gibt, ist eine Simulation von Fortschritt. Unter islamistischer Herrschaft gibt es für Frauen Freiheit nur im Verborgenen.