Small Talk mit Maja Schneider vom Bündnis »Bettellobby Dresden«

»Bettelverbote machen nicht satt«

Die Stadtverwaltung in Dresden will härter gegen Bettler vorgehen. Linke Organisationen haben deshalb die »Bettellobby Dresden« gegründet. Maja Schneider von der Gruppe »Polar«, die dem Bündnis angehört, hat mit der Jungle World gesprochen.
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Warum brauchen Bettelnde in Dresden eine Lobby?
Es gab vor allem in den lokalen Zeitungen Berichte über und vor allem gegen das Betteln. Oft spielten die Artikel mit Vorurteilen. Vor allem die Behauptung, dass Kinder zum Betteln instrumentalisiert würden, erregte die Gemüter. Die Kommentare zeigten, dass Ressentiments gegenüber Roma ein wichtiger Bestandteil dieser Debatte sind. Fakten, beispielsweise darüber, wie viele Familien überhaupt in der Stadt betteln, gab es kaum. So wurde das Betteln zum Problem aufgebauscht. Daraufhin begann die Verwaltung, über mögliche Verbote zu diskutieren.

Was ist Ihr Ziel?
Zuerst wollen wir Bettelverbote und die Gängelei von Bettelnden verhindern. Denn Bettelverbote machen nicht satt; sie vertreiben Arme aus der Stadt oder machen ihre Tätigkeit illegal. Wir wollen außerdem über den Rassismus gegen Sinti und Roma aufklären, der ganz oft in Debatten über Armut eine Rolle spielt. Einerseits sind viele Roma von Armut betroffen, weil sie in ganz Europa diskriminiert werden. Andererseits betteln nicht alle Roma, sondern arbeiten beispielsweise auch als Ärzte, Lehrer, Handwerker.

Sollte eine emanzipatorische Linke nicht die Verhältnisse kritisieren, anstatt die Aufrechterhaltung des Bettelns zu fordern?
Wir engagieren uns auch gegen die kapitalistischen Verhältnisse, die Menschen zum Betteln zwingen. Wie viele politische Gruppen haben wir unterschiedliche Themen und arbeiten in unterschiedlichen Bündnissen. Es gibt unserer Meinung nach viele gute Gründe für eine Bettellobby, auch für emanzipatorische Linksradikale. Erstens selbstverständlich die Solidarität: Solange es Armut gibt, müssen Arme das Recht haben, in der Stadt sichtbar zu sein und zu betteln. Niemand will über Armut sprechen, wir schon. Zweitens glauben wir nicht an all or nothing von heute auf morgen. Der Kapitalismus wird morgen nicht zugunsten eines solidarischen Entwurfs abgeschafft worden sein.

Was bedeutet Ihre Parole »Betteln ist ein Recht auf Stadt«?
Bettelverbote verstoßen gegen Grundrechte. Jede und jeder hat das Recht, seine Meinung zu äußern, was auch bedeutet, über eigene Nöte zu sprechen und um Hilfe zu bitten. Als emanzipatorische Linke sollten wir Grundrechte verteidigen. So ist der Kampf gegen Bettelverbote auch einer gegen autoritäre Verschärfungen in der Politik wie Kontrolle, Schikane, Verächtlichmachung und Verdrängung. Solche Debatten und Vorgehensweisen können wir nicht einfach stehen lassen. Wir machen das Recht auf Stadt, auf Bildung und volle Bewegungsfreiheit für alle geltend.

Welche Rolle spielt Rassismus in der Debatte?
Ginge es um deutsche Bettelnde, würde niemand über ein Bettelverbot reden. Die Artikel und Kommentare in der lokalen Presse entspringen antiziganistischen Vorstellungen. Deshalb arbeiten wir sehr eng mit Romano Sumnal zusammen, der ersten Selbstvertretung von Roma in Sachsen. Außerdem ist die Treberhilfe in Dresden unsere Partnerin. Sie unterstützt arme Menschen und protestiert immer wieder gegen diese rechte Argumentation.