Die Digitalisierung bringt den Gebäude­reinigern mehr Leistungsdruck und Überwachung

Putzen als Leistungssport

Auf dem Weltkongress der Gebäudedienstleister diskutierten Unternehmer in Berlin über die Auswirkungen der Digitalisierung auf ihre Branche. Den Beschäftigten bringt sie höheren Leistungsdruck und mehr Überwachung.
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Schon der Name soll auf Großes hindeuten: Der »Weltkongress« der World Federation of Building Service Contractors (WFBSC) tagte in der vergangenen Woche in Berlin. Zur selben Zeit wie das internationale Treffen der Gebäude­dienstleistungsunternehmen fand die Fachmesse »Cleaning. Management. Services« des Bundesinnungsverbands des Gebäudereinigerhandwerks (BIV) statt. Vertreten waren dort überwiegend mittlere und große Unternehmen und Händler.

Auch an dieser Branche gehen die neuesten technischen Entwicklungen nicht vorbei. Das Programm des Weltkongresses war deshalb besonders den Auswirkungen und Möglichkeiten digitaler Technologie im Reinigungs- und Gebäudemanagement gewidmet. So referierte der ehemalige Sprecher von Wikileaks und Gründer von Open Leaks, Daniel Domscheit-Berg, über Sicherheitslücken und Risiken digitaler Vernetzung. Die Vertreterin der Gebäudedienstleistungsunternehmen Neuseelands, Lilian Small, stellte die Hashtag-Veranstaltung »Thank Your Cleaner Day« vor, eine Art Muttertag für Reinigungskräfte, die so offenbar einmal im Jahr versöhnlich gestimmt werden sollen. Ein Jungunternehmer, der eine Dienstleistungsplattform übernommen hat, ließ sich vor Publikum vom Geschäftsführer des BIV, Johannes Bungart, belehren, dass sein Unternehmen keine Konkurrenz für die Branche darstelle. Auch ein Vertreter der Beschäftigten war als Redner geladen: Eddy Stam vom internationalen Gewerkschaftsverband UNI Global Union durfte unter anderem darauf hinweisen, dass die Menschenrechte auch für Reinigungskräfte gelten.

Eddy Stam vom Gewerkschafts­verband UNI Global Union durfte auf dem Kongress darauf hinweisen, dass die Menschenrechte auch für Reinigungskräfte gelten.

Die Unternehmen in der deutschen Gebäudereinigungsbranche erwirtschafteten im vergangenen Jahr fast 17 Milliarden Euro. Die Manager wollen die Löhne der über 600 000 Beschäftigten selbstverständlich möglichst gering halten. Derzeit laufen Tarifauseinandersetzungen zwischen großen Unternehmen, die in der Innung ihre Interessenvertretung haben, und der Gewerkschaft IG Bau, die die Gebäude­reiniger vertritt. Forderungen der Gewerkschaft nach einem Euro mehr in der Stunde setzte die Innung ein Angebot von 30 beziehungsweise 41 Cent pro Stunde entgegen, auf zwei Jahre verteilt. Freilich wissen die Arbeitgeber, dass sich auch anders sparen lässt: Mehr Aufgaben in gleicher oder kürzerer Zeit erfüllen zu müssen, kommt schlicht unbezahlter Mehrarbeit gleich. Als »Leistungsverdichtung« und »unbegrenzte Erreichbarkeit« beschreibt die IG Bau dies. »Putzen ist ein Leistungssport geworden«, verdeutlichen Kolleginnen und Kollegen vom Niederländischen Gewerkschaftsbund in einem Video, dass ihr Anliegen publik machen soll.

BIV-Geschäftsführer Bungart bezeichnete in seinem Vortrag zur »aktuellen Tarifsituation und Auswirkungen der Bundestagswahl 2017« im »Praxisforum«, dem Rahmenprogramm der Fachmesse, die gewerkschaftliche Tarifforderung als schlicht »nicht umsetzbar«. Da er dem offenbar nichts hinzuzufügen hatte, führte er die Zuhörer durch die Wahlprogramme aller Parteien – »außer links- und rechts­extrem«. Auf einem vorbereiteten Handout waren die Parteivorhaben, die Bungarts Zielgruppe betreffen, in einer Tabelle eingetragen und mit Emojis von heiter bis traurig gekennzeichnet. FDP und CDU lagen mit 23 beziehungsweise 22 Smileys weit vorn.

 

Kontrolle und Leistungsdruck

Die Ausstellungsflächen und Stände auf der Fachmesse sahen aus wie die Kulissen in einem Shopping-Sender. Emsige Vertreter und gelangweilte Promoterinnen zeigten in den Hallen, wie sich Schmutz schnell und einfach beseitigen lässt. Neben neuen Maschinen, Chemikalien und Materialien fanden sich auch diverse Software-Produkte und Systeme. Der vermehrte Einsatz von computergestützter Ortungstechnik trägt wesentlich dazu bei, den Leistungsdruck auf Reinigungskräfte zu erhöhen. »T.R.A.C.«, ein Produkt der Solinger Firma Schneidereit, das gemeinsam mit dem Gebäudereinigungsunternehmen Rhauda aus Potsdam entwickelt wurde, ist beispielsweise eine Kombination aus Software und Endgeräten. Das Reinigungspersonal soll sich damit an seinen Einsatzorten an- und abmelden. Durch die Lokalisierung ist stets erkennbar, ob alle Putzkräfte pünktlich dort eintreffen, wo sie sein sollen, und auch, wie lange sie sich am Arbeitsplatz aufhalten. Die Arbeitszeit beginnt, wenn die Anmeldung am Gerät erfolgt. Wegzeiten können pauschal abgezogen werden – »wenn das Gerät etwa am Fabriktor angebracht ist, es zum Einsatzort aber noch 15 Minuten Laufzeit sind«, erteilte ein Vertreter Auskunft.

Aus den erfassten personenbezogenen Daten wird eine »minutengenaue Abrechnung« erstellt. Ein weiterer Vorteil ist der Werbung zufolge, dass Soll- und Ist-Zeiten leicht abgeglichen werden können; die tatsächlich am Arbeitsort verbrachte Zeit wird mit einem Standard- oder Idealwert verglichen. Geschäftsführer Enrico Rhauda beteuert in einem Werbeartikel, dass dies nicht der Überwachung der Arbeitenden diene, und nennt die »Prozessoptimierung« als höchstes Ziel.

Zur Kontrolle der Angestellten gibt es weitere Verfahren, etwa die persönliche Inspektion durch den Objektleiter und die Bewertung nach einem Schulnotensystem. Auch hier bieten Softwareunternehmen technische Lösungen zur umfassenden Datenerfassung an. So oder so gilt: Sollte es Beanstandungen geben, kann der Arbeitgeber dank der personenbezogenen Erfassung der Mitarbeiter auch personenbezogene Nachfragen stellen und wenn nötig Konsequenzen ziehen.

Als Argument für die Ausstattung aller möglichen Hardware mit Sendern wurde auf der Messe sogar die Sicherheit der Angestellten bemüht. Doch auch angesichts eines an GPS gekoppelten Panikbuttons lässt sich der Eindruck nicht entkräften, dass eine weitreichende Überwachung etabliert wird. Über die jeweiligen Uhrzeiten an verschiedenen Standorten lassen sich Wege nachvollziehen, etwa die Route, die eine Arbeiterin mit dem fahrbaren Wischer wählt. Auch die Wege und Verweildauern der Putzkräfte im Gebäude werden durch RFID-Chips oder Smartphones nachvollziehbar, die die Arbeitszeit erfassen sollen.

Das ist rechtlich nicht unbedenklich, aber die technologischen Möglichkeiten fallen in einen Graubereich. Die Entwickler und Hersteller ziehen sich auf Nachfrage auf die vermeintliche Neutralität der Technik zurück – was aus den Daten geschlossen wird und wozu sie genutzt werden, sei schließlich Sache der Nutzer.