Schon Gott versuchte sich im Nudging, aber das macht die Sache nicht besser

Don’t Budge to the Nudge

Was kümmert mich der Dax Von

DaxDer Mensch weiß nicht, was gut für ihn ist. Deshalb müssen höhere Instanzen ihm hin und wieder einen kleinen Stups geben. Das wurde bereits kurz nach der Schöpfung klar. Denn Baum der Erkenntnis hin oder her – noch heute würden Adam und Eva im Paradies dösen, hätte Gott ihnen nicht einen kleinen Stups gegeben, den er mit einem ­fadenscheinigen Vorwand begründete, während es in Wahrheit darum ging, dass die beiden endlich ­arbeiten und in der großen weiten Welt ihren Nutzen maximieren sollten. Eigentlich hätte daher Gott den Nobelpreis für Wirtschaft verdient, der nun dem US-Ökonomen Richard Thaler dafür zugesprochen wurde, dass er ein uraltes Prinzip für den Gebrauch im Spätkapitalismus neu formulierte.

Nudging nennt man es nun, wenn Menschen dazu gebracht werden sollen, das zu tun, was höhere Instanzen für ­rational halten.
Die bürgerliche Wirtschaftswissenschaft hat bekanntlich den Homo sapiens durch den Homo oeconomicus ersetzt, den stets kühl den maximalen ­Nutzen kalkulierenden Menschen. Man könnte hier beispielsweise fragen, welchen Nutzen es bringt, 51 statt 50 Milliarden Euro zu besitzen, oder warum die Lohnabhängigen, deren Bestreben es ja nach ­Ansicht der Ökonomen nicht sein soll, für möglichst viel Geld möglichst wenig zu arbeiten, so wenig ­Berücksichtigung in diesem Modell finden. Aber so gewinnt man keinen Nobelpreis. Thaler galt bereits als Ketzer, weil er die sensationelle Feststellung machte, dass die Menschen im wirklichen Leben nicht immer das tun, was die höheren Instanzen für nützlich halten. Er war aber nicht so ketzerisch, zu untersuchen, ob diese Menschen womöglich recht haben. Wer nicht für das Alter spart, obwohl er Geld übrig hat, könnte zum Beispiel erwarten, dass seine sogenannte kapitalgedeckte Rente sich im Zuge der nächsten Finanzkrise in Luft auflösen wird, oder auf die Idee kommen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen viel sinnvoller wäre. Aber wo kämen wir da hin? Thaler verschrieb sich daher dem Ziel, den Menschen mit hinterlistigen Methoden zu einem Homo oeconomicus zu machen, der seinen Nutzen dem von Staat und Kapital unterordnet, ohne es zu merken.

Deshalb gebührt dem Nobelpreiskomitee Dank dafür, ein wenig Aufmerksamkeit auf das finstere Treiben des Nudging gelenkt zu haben. Wenn Sie in der Kantine das nächste Mal nur gut versteckt hinter Unmengen von Rohkostschälchen das Schoko­törtchen entdecken können, wissen Sie, wer schuld hat. Und Sie können die Ehre des Homo sapiens, des verständigen Menschen, retten, indem Sie mit einem Fluch auf das Nudging nach dem Schokotörtchen greifen – es sei denn, Sie haben wirklich Appetit auf Rohkost.