Das soziokulturelle Zentrum »Hasi« in Halle ist in seiner Existenz bedroht

Ungewissheit für Hasi

Die Hallesche Wohnungsgesellschaft hat die Nutzungsdauer für das linke Zentrum in der Hafenstraße 7 um drei Monate verlängert. Wie es danach weitergeht, ist unklar.

Am 5. Januar 2016 besetzten in Halle etwa ein Dutzend Mitglieder der Initiative »Wir brauchen Platz« ein seit mehr als zehn Jahren leerstehendes Haus in der Hafenstraße 7. Sie wollten dort ein soziokulturelles Zentrum errichten. An den ersten Abenden besuchten bereits einige Hundert Interessierter das Gebäude. Drei Monate später handelten die Besetzer mit dem Eigentümer, der Halleschen Wohnungsgesellschaft (HWG), einen Vertrag aus, der ihnen eine Nutzung bis zum 30. September 2017 einräumte und festhielt, dass »wohlwollende Verhandlungen« spätestens sechs Monate vor dem Ende der Nutzungszeit stattfinden sollen.
Wer durch Halle fährt, sieht zahlreiche Transparente an den Fenstern von Wohnungen, linken Projekten und Einrichtungen, die ein Fortbestehen des Projekts »Hasi« (Hafenstraße 7) fordern. Ein offener Brief wurde an den Aufsichtsrat der HWG geschickt, in dem Initiativen, Kooperationspartner der Hasi und Einwohner der Stadt ihren Unmut über die Situation äußerten. Die Linkspartei, die Fraktion »Mitbürger«, die Grünen und Teile der SPD sowie Verdi setzen sich im Stadt- und Aufsichtsrat für eine Weiterführung des Projekts ein. Auch der parteilose Bürgermeister Bernd Wiegand hat sich wiederholt dafür ausgesprochen.

Doch nicht alle stehen dem linken Zentrum so wohlwollend gegenüber. Nach der Besetzung bildete sich in der Nachbarschaft eine Gruppe, die ihren Unmut über die »Hasi« öffentlich äußert. Von Ruhestörung und Vermüllung des Grundstücks ist unter anderem die Rede. 88 Unterschriften hat diese Gruppe nach Angaben der Mitteldeutschen Zeitung gesammelt. Bürgermeister Wiegand berief daraufhin eine Nachbarschaftsversammlung ein, auf der per Ausweiskontrolle sichergestellt wurde, dass Anwohner der Hafenstraße anwesend waren. Vertreter der »Hasi« wurden bewusst ausgeschlossen. Resultat des Treffens war, dass drei Anwohner sich für den Erhalt des Zentrums aussprachen. Ein Gegner des Projekts las einen Brief vor, der seiner Aussage zufolge von mehreren betroffenen Personen verfasst worden war. Die darin genannten Gründe für die Ablehnung waren diffus formuliert und konnten auch auf Nachfrage nicht konkretisiert werden.
Die am Projekt Beteiligten beurteilen das Verhältnis zu den Nachbarn als überwiegend positiv. »Es gibt hier viele Menschen, die uns wohlgesinnt sind. Die meisten haben wir bei den von uns organisierten Nachbarschaftscafés, zu denen wir regelmäßig einladen, kennengelernt. Einige sind seitdem regelmäßig hier aktiv. Skeptische Anwohner haben wir schon mehrere Male zum Gespräch eingeladen, auch an einem neutralen Ort, doch manche scheinen einfach nicht bereit zu sein, eine gemeinsame Lösung zu finden«, sagt einer der Beteiligten.

Der Plan, die »Hasi« für einen symbolischen Euro von der HWG an die Stadt zu überführen, dürfte aufgrund der damit verbunden Altlastenübernahme zu Konflikten im Stadtrat führen.

In den eineinhalb Jahren seit der Besetzung hat sich in der »Hasi« einiges getan. Das einst verwilderte und von manchen als Müllhalde genutzte 3 000 Quadratmeter große Grundstück der ersten Halleschen Gasanstalt mit den Überresten der drei riesigen Gasometer wurde von den Nutzern gereinigt, die Räume des einstigen Verwaltungsgebäudes wurden eingerichtet, Strom- und Wasserleitungen wurden verlegt. Es gibt eine chaotische Küche und das sogenannte Lesecafé mit einer Bibliothek. Hier finden auch die öffentlichen Plena, Lesungen, Vorträge, Workshops und das wöchentliche Elterncafé statt. Daneben befindet sich der Sportraum, in dem fast täglich kostenlose Kurse angeboten werden. Ein großer Seminarraum in den oberen Etagen wird zumeist von politischen Gruppen für Treffen genutzt, eingerichtet wurden zudem eine Nähwerkstatt, ein Fotolabor, eine Siebdruckwerkstatt, das Büro des Vereins und im Hinterhaus eine Selbsthilfewerkstatt für Fahrräder und Busse.

Einen Gemeinschaftsgarten auf Hochbeeten haben die Besetzer gemeinsam mit Menschen aus der Nachbarschaft angelegt. Hochbeete sind nötig, weil das Gelände mit Schwermetallen belastet ist. Der HWG liegt ein aktuelles Bodengutachten vor, doch den Nutzern wird die Einsicht trotz wiederholter Anträge nicht gestattet. Der Kontakt zur Wohnungsbaugesellschaft ist nicht mehr so gut wie zu Beginn.
Der neue Geschäftsführer der HWG, Jürgen Marx, scheint nicht besonders daran interessiert zu sein, das Zentrum zu erhalten. Der aus der Besetzung entstandene Verein versuchte mehrere Monate lang, Verhandlungen einzuleiten, um eine weiterführende Nutzung zu sichern – doch die HWG reagierte bislang nicht. Nachdem die Sitzung des Aufsichtsrats, in der über die Zukunft des Projektes entschieden werden sollte, mehrmals kurzfristig verschoben worden war, gab es kurz vor dem Ende der Nutzungszeit doch noch eine Entscheidung. Zunächst soll der Vertrag bis Ende Januar verlängert werden. Die Stadt prüft außerdem, ob sie das Gebäude zurückkaufen soll.

Dies muss jedoch im Stadtrat entschieden werden. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Andreas Scholtyssek kündigte an, seine Partei werde versuchen, dies zu verhindern, und verwies auf die Illegalität der Besetzung – ein solches Verhalten solle nicht noch belohnt werden. Er bemerkte zudem, dass es zahlreichen gemeinnützigen Vereinen in Halle an Geld mangele. Ute Haupt, Aufsichtsratsmitglied und Stadträtin der Linkspartei, begrüßte hingegen die Entscheidung des Aufsichtsrats und zeigte sich optimistisch, dass mit dem Kauf der Immobilie eine dauerhafte Lösung gefunden werden könne. Der Konflikt mit den Nachbarn soll durch einen professionellen Mediator geschlichtet werden.
Vergangene Woche schließlich brachten die Fraktionen von Linkspartei, »Mitbürger« und Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat einen gemeinsamen Antrag ein, die »Hasi« für einen symbolischen Euro von der HWG zu kaufen. Das dürfte besonders aufgrund der damit verbunden Altlastenübernahme zu Konflikten mit den übrigen Fraktionen führen.