Die Entwicklung in Katalonien

Francos Wiedergänger

Die Separatisten stellen Katalonien als Opfer einer wiederkehrenden franquistischen Diktatur dar. Das ist reine Geschichtsklitterung.
Kommentar Von

Es geht Schlag auf Schlag im Konflikt um die Unabhängigkeit Kataloniens. Am Samstag hat das Kabinett des konservativen spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy die Entmachtung der katalanischen Regionalregierung in Barcelona eingeleitet.

Am Freitag soll der Senat in Madrid darüber entscheiden, angesichts der Mehrheit von Rajoys Volkspartei (PP) dort dürfte er die Zwangsmaßnahmen nach Artikel 155 der spanischen Verfassung absegnen. Am Samstagabend demonstrierten Hunderttausende in Barcelona gegen das Vorgehen der spanischen Zentralregierung und riefen in Sprechchören »Freiheit« und »Unabhängigkeit«.

Der konservative katala­nische Regionalpräsident Carles Puigdemont verkündete, er werde eine Entmachtung der katalanischen Regierung nicht hinnehmen, bezeichnete das Vorgehen der spanischen Regierung als »Putsch«, »inakzeptablen Angriff auf die Demokratie« und als »schlimmsten Angriff« seit der Diktatur Francos.

Rajoy als Wiedergänger Francos darzustellen, ist auch der letzte Renner bei den angeblich linken und linksradikalen Separatistenfans, etwa der CUP. Sie hat es gerade nötig.

Vor einer Unternehmerversammlung kündigte er am Montagabend an, er werde nach Madrid reisen, um vor spanischen Senatoren Stellung zu nehmen. Am Mittwoch sagte er die geplante Erklärung in Madrid ab.

Die Entmachtung der katalanischen Regionalregierung hätte zur Folge, dass die spanische Zentralregierung die Kontrolle über Polizei, Finanzen und öffentlich-rechtliche Medien übernehmen kann. ­Damit will sie eine nach der spanischen Verfassung illegale Abspaltung des wohlhabenden Katalonien verhindern. Bereits am Donnerstag, noch vor der Entscheidung in Madrid, hatte Puigdemont gedroht, die Anwendung von Zwangsmaßnahmen könne Katalonien zu einer Unabhängigkeitserklärung bewegen. Sollte er die Loslösung Kataloniens von Spanien verkünden, droht ihm ein Strafantrag wegen Rebellion. Deswegen haben ihm Fans des katalanischen ­Separatismus in Frankreich für den Fall der Fälle bereits Unterschlupf angeboten.

Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass Puigdemont die Unabhängigkeit Kataloniens weiter forciert. Er könnte darauf setzen, dass die direkte Verwaltung Kataloniens durch die Zentralregierung sein Lager radikalisiert und zusammenschweißt. In einem Editorial verwies die französische Tageszeitung Le Monde am Montag auf seine zweifelhafte Reputation, nicht nur wegen des illegalen Referendums über die Unabhängigkeit Kataloniens vom 1. Oktober. »Seit Wochen tritt das katalanische Parlament nicht zusammen, aus dem einzigen Grund, weil die Mehrheit sich weigert, auf die Fragen der Opposition zu antworten. Seit Monaten betreibt das katalanische öffentlich-rechtliche Fernsehen, TV3, eine einseitige und lügenhafte Unabhängigkeitspropaganda. Und seit Monaten greift es auf eine Viktimisierungsrhetorik zurück, die auf groteske Weise glauben machen will, dass Katalonien das Opfer einer Rückkehr der franquistischen Diktatur ist. Das ist nicht der Fall«, hieß es trocken in Le Monde.

Rajoy als Wiedergänger Francos darzustellen, ist auch der letzte Renner bei den angeblich linken und linksradikalen Separatistenfans, etwa der CUP. Sie hat es gerade nötig. Auf ihrer Website erklärt sie unter der Überschrift »Was ist die CUP?« ihre Ziele, unter anderen »die Verteidigung der nationalen Sprache und Identität«. Herzlich willkommen bei den Nationalidentitären aller Länder! Aber das findet sich nur im katalanischen Teil der Website, nicht im englischsprachigen. International will die CUP schließlich unter dem Label »linksradikal« reüssieren, nicht unter dem Label »romantisch-völkisch«.