Klimaschützer protestieren am Rande der Weltklimakonferenz in Bonn

Protest in der Grube

In Bonn hat am Montag die UN-Weltklimakonferenz begonnen. Mit bedeutenden Beschlüssen ist nicht zu rechnen. Zentrales Thema der Proteste ist die Kohleverstromung in Deutschland.

Die 23. UN-Weltklimakonferenz ist eine Tagung der Superlative und stellt alleine wegen ihrer Größe andere Gipfel wie G20 oder G8 in den Schatten. Elf Tage wird in Bonn über den Schutz des Weltklimas gesprochen. Die Delegationen umfassen etwa 25 000 Menschen, dazu kommen noch mehr als 1 000 Journalisten und Mitglieder von über 500 Nichtregierungsorganisationen. Die Größe der Konferenz ist auch der Grund, warum sie nicht auf den Fidschi-Inseln im Südpazifik stattfindet, die den Vorsitz der Klimaverhandlungen innehaben, sondern in Bonn. Auf den Inseln wäre es logistisch nicht möglich gewesen, eine Veranstaltung dieser Größenordnung abzuhalten.

 

Deutschland präsentiert sich als Vorbild in Sachen Klimapolitik

Bonn ist als Sitz des UN-Klimasekretariats nur als »technischer Ausrichter« eingesprungen. Die Bundesregierung und die noch amtierende Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) lassen es sich aber nicht nehmen, Deutschland als Vorbild in Sachen Klimapolitik zu präsentieren. Die Ministerin und ein Teil der deutschen Delegation reisten mit einem grün dekorierten ICE, dem »Train to Bonn«, zur Konferenz an. Für Hendricks ist die »Anfahrt mit dem klimaneutralen Sonderzug« ein »passender Auftakt« für die Konferenz. Dass es mit dem Klimaschutz in Deutschland in Wirklichkeit gar nicht so gut aussieht, wird ungern erwähnt. 2014 hatte die Bundesregierung noch verkündet, sie wolle dafür Sorge tragen, dass bis 2020 in Deutschland 40 Prozent weniger Kohlendioxid ausgestoßen wird als 1990. Aber dieses Ziel wird wohl verfehlt. Eine Reduzierung von nur etwa 32 Prozent erscheint jüngsten Studien zufolge realistisch.

In einer »Gebrauchsanweisung« für die Bonner Konferenz gibt das Bundesumweltministerium offen zu: »Wegweisende Beschlüsse sind deshalb in diesem Jahr nicht zu erwarten.«

Auch andere neue Erkenntnisse bieten wenig Grund zur Gelassenheit. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe geht von einer Zunahme von extremen Wetterereignissen in Deutschland aus und sieht die Erderwärmung als Grund dafür. Auch der alle vier Jahre im Auftrag der US-Regierung erstellte Bericht des Global Change Research Program findet deutliche Worte. Die globale Erwärmung sei Realität und der Ausstoß von Treibhausgasen sei für sie verantwortlich, andere Erklärungen seien nicht überzeugend. US-Präsident Donald Trump verhinderte die Veröffentlichung des Berichts nicht, dürfte aber auch von den neuen Erkenntnissen nicht beeindruckt sein und an seinen Plänen zur Förderung der Kohleverstromung festhalten. Er hatte im Sommer angekündigt, dass die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 aussteigen werden.

An den Verhandlungen in Bonn nehmen trotzdem US-Repräsentanten teil. Doch auch wenn man ihre abseitigen Ansichten beiseite lässt, ist vom Bonner Gipfel wohl wenig zu erwarten. Das Hauptziel der Konferenz ist es, »Textvorschläge« zu entwerfen. In Paris hatte man sich 2015 darauf geeinigt, die Klimaerwärmung auf höchstens zwei Grad Celsius zu begrenzen, aber 1,5 Grad anzustreben. Außerdem soll die Anpassung an den Klimawandel verbessert und die Weltwirtschaft klima­freundlicher gestaltet werden. Bislang aber ist gänzlich unklar, wie das funktionieren soll. Deshalb soll ein Regelwerk verfasst und bei der Klimakonferenz im kommenden Jahr verabschiedet werden. In einer »Gebrauchsanweisung« für die Bonner Konferenz gibt das Bundesumweltministerium daher auch offen zu: »Wegweisende Beschlüsse sind deshalb in diesem Jahr nicht zu erwarten. Damit im nächsten Jahr die Entscheidungen gelingen, müssen jedoch jetzt schon Textvorschläge für das Regelwerk festgehalten werden.«

 

Schlechte Bedingungen für »Ende Gelände«, der Protest wurde trotzdem groß

Mit Textvorschlägen wollen sich die unterschiedlichen Protestbündnisse gegen den Klimagipfel nicht zufrieden geben. Am eindrucksvollsten hat das »Ende Gelände« einen Tag vor Beginn der Konferenz gezeigt. Erstmals hatte das Bündnis, das für seine Besetzungen im rheinischen Braunkohlerevier und in der Lausitz bekannt ist, nicht zum Protest bei sommerlichen Temperaturen aufgerufen. Das übliche Camp konnte nicht stattfinden, die Polizei und das Verwaltungsgericht in Aachen sahen darin keine politische Versammlung. »Ende Gelände« hatte also ziemlich schlechte Bedingungen und viele Anhänger befürchteten einen Flop.

Der Protest wurde dann allerdings doch ziemlich groß. Zwischen 2 500 und 4 500 Menschen zogen über Felder und Wiesen sowie durch Wälder in die Grube des RWE-Braunkohletagebaus Hambach. Die Polizei beschränkte sich zunächst auf eine Zuschauerrolle und schritt erst ein, als die Protestierenden bei einem der riesigen Braunkohlebagger angekommen waren. Durch Pfefferspray und den Einsatz einer Reiterstaffel wurden zwar einige Demonstranten verletzt, trotzdem zog »Ende Gelände« ein positives Fazit: Der Bagger stand still, Hunderte Menschen waren »ungehorsam« und gingen in die Grube. Das Bündnis profitierte von der Zurückhaltung der Polizei und davon, dass viele Demonstranten aus dem Ausland angereist waren.

Internationale Gäste waren auch auf der Großdemonstration »Klima schützen – Kohle stoppen« in Bonn präsent. Auf den beiden Kundgebungen sprachen Redner aus der ganzen Welt. Die »Pacific Climate Warriors« etwa machten darauf aufmerksam, wie sehr die Inseln im Pazifik vom ansteigenden Meeresspiegel bedroht sind. Der peruanische Bauer Saúl Luciano Lliuya sprach über die Gefährdung der Stadt Huaraz, die unterhalb eines Gletschersees liegt, dessen Wasserspiegel immer weiter ansteigt. Lliuya hatte RWE verklagt (Jungle World 49/15); der Energiekonzern soll sich an den Kosten der Schutzmaßnahmen für den See beteiligen. RWE gehört zu den Konzernen mit dem höchsten Kohlendioxidausstoß weltweit.

Ansonsten wurde diese Demonstration von großen deutschen Nichtregierungsorganisationen wie Campact, Brot für die Welt und dem BUND organisiert und dominiert. Einige Protestbilder wurden produziert, das war es im Großen und Ganzen. Am kommenden Wochenende folgen weitere Demonstrationen unter anderem von Bonner Parteien und Umweltinitiativen. Eine weitere Demonstration dominieren die MLPD und ihr nahestehenden Organisationen. Großspurig verkündet das Bündnis um die stalinistische Kleinpartei, die Demonstration sei die »zusammenfassende thematische Klammer und Höhepunkt der Proteste zur Weltklimakonferenz«.

In Bonn wird in diesen Tagen viel demonstriert, geredet und getagt. Die Bundesregierung hat zusätzliche 100 Millionen Euro Hilfsgelder für stark vom Klimawandel betroffene Länder angekündigt und über Fidschi wurde wohl letztmals in Deutschland so viel gesprochen, als Neonazis »Fidschi« als Beleidigung für jeden Migranten benutzten. Insgesamt scheint der Aufwand, der für die Weltklimakonferenz betrieben wird, aber in keinem Verhältnis zu den erwarteten Ergebnissen zu stehen.