Auch Salafisten spielen Fußball

Kicken für den Jihad

Das Verhältnis von Salafisten zum Fußball ist zwiespältig. Während er unter den Taliban verboten war, nutzen ihn andere zur körperlichen Ertüchtigung und als Rekrutierungsfeld.

Sportliche Betätigung, egal welcher Art, ist bei den fanatischen Protagonisten des Islam äußerst umstritten. Die unterschiedlichen Auslegungen der Religion ermöglichen ebenso unterschiedliche Herangehensweisen an den Sport. Gerade eine der beliebtesten Sportarten weltweit sorgt für Kontroversen. So organisierte Ussama bin Laden während des Kampfs gegen die Sowjets in Afghanistan eine Art Mini-Fußball-WM unter seinen Anhängern. Nachdem die Taliban die Herrschaft im Land übernommen hatten, wurde der Sport jedoch verboten. Unter der Herrschaft der al-Shabaab-Miliz in Somalia drohte Fußballfans sogar die Todesstrafe, wenn sie dabei erwischt wurden, ein WM-Spiel im Fernsehen anzuschauen.

Spiele und Sportarten seien, wie es beispielsweise die salafistische Website islamfatwa.de darstellt, nur dann erlaubt, »wenn sie aus reiner Absicht betrieben werden«. Als Training »für den Jihad und den Kampf« oder um »chronische Krankheiten abzuwehren«, seien körperliche Ertüchtigungen sogar dringend empfohlen. Die Ausübung dürfe aber nicht »zu Neid und Hass führen, wie er ­öfter zwischen den Spielern entbrennt«. Häufig bemängeln religiöse Autoritäten, dass beim Fußball kurze Hosen getragen werden, schließlich sei es geboten, die Schenkel zu verhüllen. Die gegenwärtige Auseinandersetzung um eine Aufweichung wahhabitischer Rigidität in Saudi-Arabien betrifft auch den Sport. Vor zehn Jahren sprach ein Imam eine Fatwa gegen den Fußball aus und sagte, dies sei das Spiel der Ungläubigen. Doch die Popularität des Sports blieb ungebrochen.

Spiele und Sportarten seien, wie es beispielsweise die salafistische Website islamfatwa.de darstellt, nur dann erlaubt, »wenn sie aus reiner Absicht betrieben werden«.

 

Fußball vs. Religion

Vor allem salafistische Strömungen sehen den Fußball im Gegensatz zur Religion. Das hindert sie aber nicht daran, jugendliche Fußballer zu agitieren und für ihre Zwecke anzuwerben. So schloss sich ein ehemaliger deutscher Jugendnationalspieler jihadistischen Kämpfern in Syrien an. Burak Karan, Fußballer von Bayer Leverkusen, Hertha BSC und Hannover 96, starb Ende 2013 offenbar bei einem Bombenangriff syrischer Truppen. Der damals 26jährige hatte sich seit 2009 im Umfeld einer Wuppertaler Moschee bewegt, in der Salafisten verkehrten. Einige von ihnen versuchten, sich in Richtung der terroristischen Ausbildungslager im ­afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet abzusetzen, was zunächst jedoch nicht gelang. Während Karan im April 2010 nach Deutschland zurückkehrte, reisten andere Mitglieder der Gruppe weiter nach Teheran und von dort aus in das Kerngebiet von al-Qaida, nach Waziristan.

Nach seiner Rückkehr stand Karan unter Beobachtung des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. Wegen des »Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat« ermittelte die Staats­anwaltschaft Düsseldorf. Das dortige Amtsgericht ordnete an, Karans ­Telefonanschlüsse zu überwachen. Der ehemalige Jugendnationalspieler soll nach Erkenntnissen der Behörden damals zum Umfeld der islamistischen Gruppe »Millatu Ibrahim« gehört haben.

Karans Bruder bestätigte der Bild-Zeitung dessen Tod nach einem Luftangriff in der Nähe der Stadt Azaz. Er bestritt aber, dass sein Bruder an Kampfhandlungen beteiligt gewesen sei, und sagte, dieser habe Hilfslieferungen organisiert. Doch ein Video zeigt Karan, wie er mit einem Maschinengewehr bewaffnet ein Gedicht mit dem Titel »Oh Mutter, trauere nicht um mich« vorträgt. ­Einem Kommentar unter dem Video zufolge soll er, der Vater von zwei Kindern war, »wie ein Löwe« in das Gebiet der Ungläubigen gestürmt sein und »Freude daran gehabt haben, sie zu bekämpfen«.

 

Ben-Hatira: Antifa, Politik und Sponsoren forderten Suspendierung

Weil er eine salafistische Hilfsorganisation unterstützt hatte, geriet auch der Fußballprofi Änis Ben-Hatira Anfang des Jahres in die Kritik. Sein Engagement für Ansaar International verteidigte der Berliner derart vehement, dass sein damaliger Arbeitgeber Darmstadt 98 sich von ihm trennte. Ausgelöst wurden die Proteste von antifaschistischen Fans, doch auch Politik und Sponsoren schlossen sich der Forderung nach Suspendierung des Spielers an. Am letzten Tag der Transferperiode wechselte Ben-Hatira noch zum türkischen Erstligisten Gaziantepspor.

»Unser Land heißt Muslime bedingungslos willkommen«, sagte der Vereinspräsident von Gaziantepspor, Ibrahim Kızıl, zur Begrüßung des Spielers. Ben-Hatira verlautbarte zur selben Zeit im Internet, es sei das einzig Richtige gewesen, Ansaar International zu unterstützen. »Es gibt wenige Menschen, die eine große Verantwortung tragen«, so der Spieler, und »dennoch täglich in den Spiegel sehen können und sich mit Stolz selbst erkennen. Ich kann das.« Nach einem halben Jahr in der Türkei und dem Abstieg in die zweite türkische Liga erhielt der Berliner keinen neuen Vertrag. Ben-Hatira spielt nun in Tunesien.

 

Im Verein radikalisiert

Im Amateurbereich sind ähnliche Fälle bekannt. Nach Recherchen des Deutschlandfunks war beispielsweise der ehemalige Wortführer der Münchner »Lies!«-Koranverteilaktion jahrelang Mitglied in einem Fußballverein. Nachdem er wegen der Verbreitung verbotener islamistischer Symbole verurteilt worden war, stellte sein Verein ihm einen Anwalt, um seine Abschiebung in den Kosovo zu verhindern. Wie er in kürzester Zeit zu einem islamistischen Gefährder wurde, erklärte er, etwas wirr, wie folgt: »Zum Islam bin ich durch Verschwörungstheorien gekommen – falls Ihnen Freimaurer oder Illuminati was sagen – und zum Schluss durch einen konvertierten Homepage-Prediger.«

Dies sei bei weitem kein Einzelfall, bestätigte Jan Buschbom vom ­Violence Prevention Network dem Deutschlandfunk. Immer wieder suchten Vereine aus dem Breitensport bei ihm Hilfe. Besonders betroffen sei der Fußball. So gibt es Buschbom zufolge »durchaus Ver­eine, wo Jugendliche sich dann de facto radikalisiert haben« und »tatsächlich nach Syrien oder in den Nordirak ausgereist sind«. Seine Beratungsstelle erhalte Anfragen von Amateurclubs, aber auch aus dem Jugendbereich von Profivereinen. Aber das Thema betrifft nicht nur Spieler. In Hamburg teilte das Landesamt für Verfassungsschutz im Sommer mit, dass ein »höherer Funktionär« der verbotenen Organisation Hizb ut-Tahrir (HuT) als Fußballtrainer vor allem in Flüchtlingsmannschaften islamistische Propaganda verbreitet haben soll.