Das China-Experiment des DFB ist vorbei

Der lange Marsch zur Weltmeisterschaft

Langfristig will China Fußballweltmeister werden. Kurzfristig scheiterte der DFB-Plan, das U20-Team in einer deutschen Regionalliga mitspielen zu lassen, an Fanprotesten.

Während das nationale Prestigeprojekt des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der Videobeweis, immer heftiger in die Kritik gerät, ist das internationale Prestigeprojekt des größten nationalen Sport-Fachverbandes der Welt schon längst gescheitert. Die Integration der chinesischen U20-Auswahl in eine der deutschen Regionalligen wurde nach zahlreichen Fan-Protesten vorerst abgebrochen.

Alles hatte damit begonnen, dass der chinesische Staatspräsident Xi Jinping genug »von den schändlichen Fußballverhältnissen« in seinem Land hatte. Der Ausbau der Strukturen des Chinesischen Fußball-Verbands (CFA) wurde zu einem der obersten Staatsziele erklärt. Im Rahmen einer allgemeinen Sportoffen­sive soll auch der bisher eher vernachlässigte Teamsport Fußball zumindest langfristig internationales Niveau erreichen. »Ein Aufleben des Fußballs ist entscheidend auf Chinas Weg zu einer Sportnation«, verkündete Xi.

Derzeit sind rund 10 000 aktive Fußballspieler in China registriert. An den Universitäten wird der Sport ­gefördert, aber eine breite Verwurzelung ist nicht einmal im Ansatz gegeben. Den präsidialen Plänen zufolge sollen bis zum Jahr 2025 insgesamt 20 000 Internate entstehen, in denen 40 000 professionelle Trainer die einheimischen Talente ausbilden. Fünf Jahre später will das Land die Fußballweltmeisterschaft austragen und 2050 soll die Qualität der Nationalmannschaft dazu ausreichen, dass sie um den Titel mitspielen kann.

 

China will die Attraktivität der Liga steigern

Nachdem die Offensive vom Präsidenten ausgerufen worden war, investierten chinesische Unternehmer Millionenbeträge in nationale wie auch internationale Fußballclubs. Für die Teams der Chinese Super League wurden internationale Trainer angeworben, aus Deutschland zum Beispiel Felix Magath (Shandong Luneng), Roger Schmidt (Beijing Guoan) und Uli Stielike (Tianjin Teda). Stefan Böger, ehemaliger Coach des Halleschen FC, trainiert beim chine­sischen Serienmeister Guangzhou Evergrande die U19-Auswahl. Dort, in Guangzhou, befindet sich auch das größte Fußballinternat der Welt, es verfügt auf einer einer Gesamtfläche von 359 000 Quadratmetern über 47 Fußballplätze, dort werden derzeit 2 577 Kicker ausgebildet.

Um die Attraktivität der Liga zu steigern, waren bereits in den vergangenen Jahren internationale Topstars nach China gelockt worden. Anthony Modeste kam für 35 Millionen Euro vom 1. FC Köln zu Tianjin Quanjian, der Brasilianer Oscar für 60 Millionen vom FC Chelsea zu Port Shanghai FC. Dank der sagenhaften Gehälter – der Argentinier Carlos Tevez verdient bei Shanghai Shenhua angeblich umgerechnet 40 Millionen Euro im Jahr – zieht es immer mehr Stars ins Land. Der explosionsartige Anstieg der Ablösesummen und Gehälter führte jedoch zu Problemen. Im Sommer drohte 13 der 16 chinesischen Erstligisten der Lizenzentzug. Sie standen unter dem Verdacht, die Spielergehälter nicht ordnungsgemäß gezahlt zu haben.

Mit der Lizenzdrohung verschärfte der chinesische Fußballverband seinen Kampf gegen die explodierenden Ausgaben in der Ersten Liga. Dazu kommen weitere Regularien: Mindestens zwei U23-Spieler müssen im Kader stehen, ab der kommenden Saison auch einer in der Startelf. Die Vereine dürfen nur maximal vier Ausländer unter Vertrag haben, wovon nur drei in den Kader berufen werden dürfen. Ausländische Torhüter dürfen gar nicht erst verpflichtet werden.

Damit der deutsche Fußball im Wettbewerb um dem Markt der Zukunft nicht allein auf das Engagement der deutschen Proficlubs bauen muss, hatte sich der DFB mit dem CAF auf ein Abkommen zur Zusammenarbeit über die kommenden fünf Jahre geeinigt, unter tätiger Mithilfe von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der chinesischen Staatsführung.

Der ehemalige Bundesligaprofi und chinesische Nationalspieler Shao Jiayi, der unter anderem bei 1860 München, MSV Duisburg und Energie Cottbus spielte, sieht die aktuelle Entwicklung eher kritisch. Besonders das Anwerben ausländischer Spieler hält er für einen Fehler. »Ich glaube nicht, dass wir mit absurden Summen für Superstars den Fußball in China verbessern. Das schafft zwar Aufmerksamkeit, aber erhöht nicht wirklich die Qualität«, sagte der 37jährige dem Deutschlandfunk.

Viele Milliarden flossen in Beteiligungen an europäischen Clubs. So sind dem Manager-Magazin zufolge 13 Prozent von Manchester City, 20 Prozent von Olympique Lyon, 20 Prozent von Atletico Madrid und 54 Prozent von Espanyol Barcelona in der Hand chinesischer Geldgeber – sowie 100 Prozent von FC Parma, Aston Villa und Birmingham City. Gerade in Italien hat diese Entwicklung Auswirkungen: Im April wurde das 218. Derby zwischen den beiden Mailänder Stadtrivalen bereits mittags angepfiffen. Ideal für Fernsehzuschauer in Asien, das Spiel lief genau zur Primetime.

Die Fußball-Bundesliga will ihren Spielplan dagegen vorerst nicht umbauen. »Über asienfreundliche Anstoßzeiten haben wir noch nie nachgedacht und werden es auch jetzt nicht tun«, sagte Christian Seifert, der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), der Sport Bild. Auch will der Verband nicht dem italienischen Beispiel folgen, den Supercup im Ausland auszurichten.

 

Integration der chinesische U20 gescheitert

Borussia Dortmund und der FC Bayern München betreiben aber bereits Büros in China, weitere Clubs wollen folgen. Damit der deutsche Fußball im Wettbewerb um dem Markt der Zukunft nicht allein auf das Engagement der deutschen Proficlubs bauen muss, hatte sich der DFB mit dem CAF auf ein Abkommen zur Zusammenarbeit über die kommenden fünf Jahre geeinigt, unter tätiger Mithilfe von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der chinesischen Staatsführung. Die Vereinbarung sieht vor, dass DFB und DFL China in der Ausbildung von Spielern, Trainern und Schiedsrichtern sowie in der Ligaorganisation unterstützen. Darüber hinaus sollte in dieser Saison die chinesische U20-Auswahl in die Regionalliga Südwest integriert werden, da unterhalb der Profiliga in China noch kein breit aufgestelltes Ligensystem etabliert ist.

Auf dieses Vorhaben reagierten viele Fans und Vereinsverantwortliche vor allem von Traditionsvereinen mit starkem Protest. Selbst eine abgeschwächte Variante sowie Antrittsprämien in Höhe von 15 000 Euro konnten Traditionsclubs, wie zum Beispiel die Stuttgarter Kickers, TuS Koblenz oder Waldhof Mannheim, nicht von dem Plan überzeugen. Daraufhin setzte der Verband auf eine freiwillige Teilnahme plus die schon vorher ausgelobten finanziellen Anreize. Kleine und finanzschwächere Vereine nahmen das Angebot gern an, an ihrem spielfreien Termin Freundschaftsspiele gegen die chinesische U20-Auswahl auszutragen. Das erste dieser Spiele fand im November auf der Bezirkssportanlage von Mainz-Mombach statt. Die Heimmannschaft vom TSV Schott Mainz gewann das Spiel souverän mit 3:0. Doch die Schlagzeilen bestimmte der Protest einiger Gegner der chinesischen Tibet-Politik.

Kurz nach Spielbeginn zückten sie mehrere tibetische Flaggen und hielten diese gut sichtbar in die zahlreich versammelten Fernsehkameras. Nach einigen Minuten stürmte ein Fan der chinesischen Mannschaft auf die Demonstranten zu und forderte sie auf, ihre Fahnen unverzüglich zu entfernen.

Als dies nicht geschah, kam es zu einem Handgemenge. Die Verantwortlichen des Auswahlteams protestierten ihrerseits und drohten damit, das Spielfeld zu verlassen, wenn die Flaggen nicht eingepackt würden. Da weder der austragende Verein noch die Polizei reagierte, verschwand das Auswärtsteam in der Kabine. Erst nach längerer Diskussion – und nachdem die Fahnen eingerollt worden waren – konnte die Partie weitergehen.
»Die Aktion der Tibeter war ganz klar von der Meinungsfreiheit gedeckt, es gab daher keinen Anlass für uns einzuschreiten«, sagte der Pressesprecher der Polizei Mainz, Rinaldo Roberto, nach dem Spiel. Der Manager der Mainzer, Till Pleuger, fand die Reaktion »sehr schade«, verwies aber darauf, dass die Chinesen »die Meinungsfreiheit bei uns akzeptieren« müssten, »sonst macht so ein Spiel wenig Sinn«. Und die Verantwortlichen des zweiten Testspielgegners FSV Frankfurt kündigten an, die geplanten Proteste ihrer Fans nicht zu unterbinden.

Das führte zum vorläufigen Ende der großangelegten Kooperation. »Es wurde entschieden, mit dem U20-Projekt zu pausieren. Wir haben die Rückreise der Mannschaft nach Hause organisiert«, hieß es in einer Mitteilung des CFA knapp. Ausschlag­gebend soll die Weigerung des DFB gewesen sein, zukünftig Protestaktionen zu verbieten. Doch in der offiziellen Erklärung des DFB wird die freie Meinungsäußerung bei Fußballspielen zu einer Frage der Eskalation. Wörtlich heißt es: »Tatsächlich wurde das Projekt von einigen wenigen Zuschauern genutzt, um Botschaften zu setzen, die von der chinesischen Mannschaft, den Offiziellen, dem Betreuerstab des Chinesischen Fußball-Verbandes und auch den chinesischen Zuschauern als verletzend empfunden wurden.« Kein einziges Wort verliert der Verband über den Angriff eines chinesischen Fans. Stattdessen wird in dem Schreiben behauptet, dass den Verbänden »substantielle Hinweise« auf »weitere Eskalationen« vorlägen, womit die angekündigten Protestaktionen der Fans und Tibet-Unterstützer gemeint waren.

Das Presseorgan der regierenden kommunistischen Partei, die chinesische Volkszeitung, kritisierte das Vorgehen des DFB harsch: »Die Verantwortlichen auf der deutschen Seite sollten sich schämen für ihr Verhalten, das eines Gastgebers nicht würdig war.« Chinesische Ultras organisierten Ende November eine Protestaktion, an der sich mindestens 23 Ultragruppen beteiligten. Ihr Unmut richtete sich gegen die »China U20 UItras Südwest!«, ein virtuelles Satireprojekt deutscher Fußballfans, das aus Protest gegen die Pläne von DFB und CFA gegründet worden war.