Nein, das ist nicht das gute Leben
Mal wieder hat Europa versucht, mit noblen Absichten und falschen Methoden, Barbarei zu zivilisieren. Diesmal ging es um das deutsche Dönerunwesen, konkret um Phosphat. Phospat ist nicht nur beliebt als Dünger, Waschmittelzusatz und Brandschutzmittel. Es steckt auch im Fleisch jedes Dönerspießes. Weil es so gut schmeckt? Selbstverständlich nicht. Aber es schützt den labberigen Fleischberg vor einem Phänomen, das Kebabkenner als »Elefantenfuß« bezeichnen. Beim stundenlangen Rotieren wirkt die Schwerkraft auf die Masse von Knorpel, Fett und Muskelfleisch.
Mit der Zeit sammelt sich immer mehr Rohdöner am unteren Ende, bis der Spieß eben ausschaut wie der Fuß eines Elefanten. So weit, so eklig.
Kürzlich hatten Grüne und Sozialisten im Europaparlament die gute Idee, vielleicht erst einmal eine Untersuchung der möglichen Schädlichkeit von Phosphat abzuwarten, bevor man über die Regulierung dieser Technik diskutiert. Was macht der dummdeutsche Phosphatfresser daraus? »Wegen Sozialisten und Grünen im EU-Parlament: Dem Döner droht das Aus!« titelte die Bild-Zeitung alarmistisch – und leider falsch. Denn ob mit Phosphat oder ohne, Kebab in Deutschland bleibt eine kulinarische Katastrophe. Ein Verbot wäre mehr als angebracht.
Erstes Problem: Weil der Deutsche gern furzt und stinkt, muss Kebab hierzulande immer mit verschiedenfarbigem Pupskraut angereichert werden. Ein Verbrechen gegen die Mitmenschen, wie es nicht einmal unter Erdoğan üblich ist. Aus der Türkei soll der Döner theoretisch kommen. Mit der Spezialität aus der osmanischen Palastküche hat der türkisch-teutonische Imbissfraß aber nur noch den Namen gemein. Kebab ist hierzulande cultural appropriation pur und so authentisch multikulti wie die angeschweißten Dreadlocks eines Freiburger Ethnologiestudenten, dessen Großvater noch Völkerkunde unter dem Hakenkreuz lehren durfte.
Döner Kebab bedeutet Mittelmaß für die Massen statt Austern für alle. Das ist Food-Fordismus, Fließband Futter, kulinarische Kulturindustrie.
Zweites Problem: Der Geschmack. Außen kokelt das Billigfleisch gern mal an und harmoniert dann toll mit den erdigen Aromen des langweiligsten Weißbrots der Welt. Innen ist das Fleisch hingegen gerne noch rot, roh und wabbelig. Geschmacklich regieren also Blut und Boden. Dann die Beilagen: Im nahen Osten serviert man zum Grillfleisch Reis. Die besondere Vorliebe Deutscher für Kartoffeln und Fett hat diesen durch wabbelige Fritten ersetzt. Im Idealfall ertränkt man alles mit weißer Majo-Sauce, die zuverlässig alle Geschmacksnerven blockiert, damit ja niemand die mindere Qualität des gesamten Ensembles registrieren kann. Im Zweifel »mit Scharf«, dann muss man gar nichts mehr schmecken. Und ja, jeder Dönermann Deutschlands weiß, dass »mit Scharf« falsch ist. Aber er weiß auch, dass der Kartoffelkunde sich gern grammatikalisch überlegen fühlt. Das erhöht die Chance auf emotionale Entwicklungshilfe in Form von Trinkgeld. Döner Kebab bedeutet Mittelmaß für die Massen statt Austern für alle. Das ist nicht das gute Leben. Das ist Food-Fordismus, Fließbandfutter, kulinarische Kulturindustrie.
»Ein sehr gutes, schmackhaftes Gericht« notierte Helmut von Moltke 1836 in sein Tagebuch, nach seiner ersten Begegnung mit dem »Kiebab«. Der preußische Generalfeldmarschall war als Militärberater im osmanischen Reich und unterstützte den Sultan unter anderem beim Feldzug gegen die Kurden. So alt ist die Achse Berlin-Bosporus unter dem Zeichen des Kebab. »Nazis essen heimlich Döner«, stand früher einmal auf Stickern. Das stimmt schon lange nicht mehr. Nazis achten nur darauf, dass im Imbiss eine rote Halbmondflagge hängt, anhand derer sie auf die Unterstützung des Erdoğanschen Führerstaates schließen können. Spätestens das furchtbare Wortungetüm »Dönermorde« hat bewiesen, wie gut pseudoanatolisches Ekelfleisch und deutscher Rassismus zusammengehen. Konsequenter Linksgastronomismus muss beide bekämpfen. Am besten mit einer guten Lammkeule aus dem türkischen Grillrestaurant. Ich empfehle gerne eines, in dem keine verdächtigen Flaggen hängen.