Die Justizreform der rechten Regierung stößt in Polen auf Widerstand

Aufstand in Roben

In Polen löst die von der Regierung angestrebte Justizreform Wider­stand von vielen Richtern und in der Bevölkerung aus. Auch die EU setzt die rechte Regierung unter Druck.

Schon wenige Wochen nach dem Amtsantritt der rechtspopulistischen polnischen Regierung im November 2015 begann die internationale Berichterstattung, die Demokratie in Polen für tot zu erklären. Bereits im Januar 2016 schrieb Jakob Augstein in seiner Kolumne für Spiegel Online: »Das Polen der neuen Rechtsregierung ähnelt immer mehr Putins Russland.« In der Sache liegt er falsch. Denn zwischen Russland und Polen gibt es immer noch gewich­tige Unterschiede. In Russland werden Oppositionelle und ausgewählte NGOs seit Jahren juristisch verfolgt, freie Medienberichterstattung wird mehr und mehr eingeschränkt. So heftig wie unter Wladimir Putin ist die Repression in Polen noch lange nicht. Demokratie und Gewaltenteilung lassen sich nicht so einfach abschaffen, auch wenn die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) das nun schon seit fast zweieinhalb Jahren versucht. Dass es es am Ende gelingen wird, die Justiz gleichzuschalten, ist nicht sicher. Denn es regt sich heftiger Widerstand, nicht nur auf der Straße, sondern auch bei polnischen Richtern und in den Institutionen der EU.

Im Dezember 2017 wurden in Polen zwei Gesetze verabschiedet, die es der Parlamentsmehrheit der PiS ermöglichen, zwei wichtige Institutionen der Judikative zu einem großen Teil neu besetzen: das Oberste Gericht und den Landesjustizrat, der bei der Ernennung von Richtern und bei Disziplinarverfahren gegen sie großen Einfluss hat. Am 15. Januar treten die beiden Ge­setze in Kraft. Wie bei vorherigen Versuchen der Regierung, mehr Einfluss auf die Justiz zu nehmen, könnten auch diese Vorhaben noch daran scheitern, dass nur wenige Richter, die die formale Qualifikation besitzen, um in diesen Gremien Posten zu besetzen, mit dem Vorhaben der PiS einverstanden sind.

Die Unabhängigkeit der polnischen Justiz wurde unter der PiS-Regierung zum ersten Mal im März 2016 eingeschränkt. Kurz zuvor hatte die Parlamentsmehrheit der PiS ein Gesetz verabschiedet, das das Verfassungsgericht zwingen sollte, die Klagen in der Reihenfolge zu bearbeiten, in der sie eingehen, nicht nach Dringlichkeit. Da dieses Gesetz das Verfassungsgericht lahmgelegt hätte, erklärte es das Gesetz für verfassungswidrig. Die damalige Ministerpräsidentin Beata Szydło suchte jedoch die offene Konfrontation. Sie weigerte sich, das Urteil im amtlichem Gesetzesblatt zu drucken. Szydłos Ansicht nach wurde es somit nicht gültig.

Im Sommer 2017 kam das nächste wichtige Gesetz. Demnach darf Justizminister Zbigniew Ziobro zwischen ­August 2017 und Februar 2018 die Präsidenten und ihre Stellvertreter an den Kreis-, Landes- und Berufungsgerichten ohne Begründung austauschen. Von der Abberufung erfahren die Richter per Fax. Nach Auskunft des polnischen ­Justizministeriums gegenüber der Zeitung Gazeta Wyborcza wurden bis Ende Dezember 2017 knapp 50 Gerichtspräsidenten abberufen. Darunter sind einige, die Urteile zum Nachteil der PiS oder einzelner Politiker der Partei ­gesprochen haben.

Die PiS kann mit der Gleichschaltung der Justiz aber keinen durchschlagenden Erfolg haben, wenn die Richter nicht mit dem Justizministerium kooperieren. Bislang gab es in neun Städten Versammlungen von Richtern, die öffentlich gegen die Entlassung ihrer Vorgesetzten protestierten. Im Bezirk Radom veröffentlichte diese Vollversammlung der Richter ein Kommuniqué, in dem sie sich gegenseitig auffordern, die freigewordenen Posten nicht zu be­setzen. Einer Schätzung der Zeitschrift Polityka zufolge sind 90 Prozent der Richter gegen die Justizreformen.

Die Richter, die die Reformpläne der PiS ablehnen, dürften in ihrem Widerstand dadurch bestärkt werden, dass Polen nun offiziell ein Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge droht. Am Ende des Verfahren könnte die Suspendierung des Stimmrechts Polens in den EU-Institutionen stehen. Das ist zwar unwahrscheinlich, aber bereits die Einleitung des Verfahrens wäre ein historischer Schritt, der Polen stark unter Druck setzt. Zur Einleitung des Verfahrens braucht die EU noch die Zustimmung des EU-Parlaments. Diese wird es so gut wie sicher geben. Außerdem müssen 22 EU-Mitgliedsstaaten die Einleitung des Verfahrens befürworten. Das ist schon schwieriger. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki reist derzeit durch die EU, um sechs europäische Regierungschefs zu finden, die die Einleitung des Verfahrens blockieren könnten. Wer außer Ungarn Polen unterstützen könnte, ist ungewiss. Mögliche Kandidaten wären Rumänien, das auf ähnliche Weise wie Polen versucht, die Gerichte gleichzuschalten, Tschechien, das eine neue rechtspo­pulistische Minderheitsregierung hat, oder Österreich mit seiner neuen rechten Regierungskoalition.

Wenig wird darüber geschrieben, dass die polnische Regierung eine andere Institution der Judikative überhaupt nicht gefügig machen kann. Denn in ­einigen Fällen können polnische Bürgerinnen und Bürger auch Rechte vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg einklagen. Dies passierte zum Beispiel im Fall des ostpolnischen Białowieża-Urwalds . Der EuGH drohte der polnischen Regierung mit einer Geldstrafe von mindestens 100 000 Euro pro Tag, sollte der staatliche Forstbetrieb nicht seine großen Abholzungsmaschinen aus dem Wald abziehen, der zum Weltnaturerbe der Unesco gehört. ­Polen musste nachgeben. So feierten Umweltschützer kurz vor Weihnachten einen wichtigen Etappensieg in der Auseinandersetzung mit der polnischen Regierung.