Erdoğan auf Staatsbesuch in Tunesien, Frankreich und dem Sudan

Erdoğans Reisen

Bei seinen Staatsbesuchen in Tunesien und Frankreich stieß der türkische Präsident auf Kritik an seinem autoritären Kurs. Im Sudan war er gern gesehen, da das dortige islamistische Regime relativ isoliert ist.

An Selbstbewusstsein mangelte es keiner der beiden Seiten, als die Präsidenten Frankreichs und der Türkei am Freitag voriger Woche vor die Mikrophone traten. Ihre gemeinsame Pressekonferenz im Elysée-Palast bildete einen der Höhepunkte des halbtägigen Staatsbesuchs, den Recep Tayyip Erdoğan in ­Paris absolvierte.

Für Erdoğan stellte die Tatsache, dass er dort auf höchster Ebene empfangen wurde und direkte Gespräche mit seinem Amtskollegen Emmanuel Macron führte, einen diplomatischen Erfolg dar. Seit fast zwei Jahren ist der immer autoritärer regierende türkische Staatspräsident in der EU, aber auch in der Nato, bei vielen nicht mehr wohlgelitten. Das liegt zum einen an der maßlosen Repression in der Türkei nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 und der Inhaftierung auch ausländischer Journalisten, zum anderen an der strategischen Annäherung an Russland und den Iran mitsamt Aufteilung der Einflusssphären in Syrien. Dass Erdoğan der deutschen Bundesregierung sowie dem niederländischen Kabinett »Nazimethoden« vorwarf, nachdem diese den Wahlkampf türkischer Regierungspolitiker vor dem Verfassungsreferendum am 16. April 2017, das die Machtbefugnisse des türkischen Präsidenten ausweiten sollte, auf ihrem Boden eingeschränkt hatten, verbesserte das ­zwischenstaatliche Klima nicht.

Macron hielt allerdings auch Unerfreuliches für seinen türkischen Besucher bereit. Der Präsident, der bereits Wladimir Putin und Donald Trump zu sich eingeladen, ihnen in einigen mindestens symbolisch bedeutsamen Punkten aber auch Contra gegeben hatte, nutzte die Pressekonferenz, um Pläne für einen Beitritt der Türkei zur EU ­öffentlich zurückzuweisen. Allerdings lagen diese Pläne schon seit längerem auf Eis, und keineswegs nur wegen des autoritären Charakters, den die türkische Innenpolitik in den vergangenen Jahren angenommen hat. Bereits 1963 war der Türkei ein Beitritt zur damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) in Aussicht gestellt worden. 2005 waren Beitrittsverhandlungen aufgenommen worden. Damals schien die Türkei sich in einer Phase der ­innenpolitischen Liberalisierung und Demokratisierung zu befinden, auch wenn sich über einige Schritte in diese Richtung im Nachhinein sagen lässt, dass sie der regierenden AKP vor allem zur Entmachtung der alten kemalistischen und militärischen Führungsschicht dienten. Aber auch damals gab es bereits einflussreiche Gegner eines EU-Beitritts der Türkei. Zu ihnen zählte etwa der von 2007 bis 2012 amtierende konservative französische Präsident Nicolas Sarkozy.

Macron macht sich nun offensiv zu eigen, was Sarkozy damals vorschlug, ebenso wie viele deutsche CDU/CSU-Politiker: eine »strategische Partnerschaft« mit der Türkei statt einer Beitrittsperspektive. Diese Partnerschaft lässt die innenpolitischen Verhältnisse in der Türkei unangetastet, hält das Land aber aus der Europäischen Union heraus und stärkt bestehende militärische Allianzen. In diesem Sinne wurde kurz vor der Pressekonferenz der beiden Präsidenten ein Vertrag zur Rüstungs­kooperation unterzeichnet: Das französisch-italienische Unternehmen Eurosam wird mit den türkischen Firmen Aselsan und Roketsan bei der Entwicklung von Raketen und Luftabwehrwaffen kooperieren. Dieses neue Joint ­Venture soll auch die Zusammenarbeit der Türkei mit Russland auf diesem Gebiet – das Land soll der Türkei ­S-400-Luftabwehrraketen liefern – eindämmen.

Im Dezember hatte Erdoğan mehrere nordafrikanische Staaten besucht. In Tunesien wurde sein usprünglich für zwei Tage angesetzter Besuch Ende ­Dezember auf einen Tag verkürzt. Erdo­ğan verärgerte die tunesische Regierung, als er im Präsidentenpalast in Tunis einen Gruß mit vier ausgestreckten Fingern und angewinkeltem Daumen entbot. Ein solches Handzeichen gilt in Nordafrika seit der Entmachtung der Muslimbrüder in Ägypten 2013 und der daraufhin einsetzenden harten Repression gegen diese politische Strömung als Symbol ihrer Sympathisanten. Zudem boykottierte die Mitte-links-Partei al-Massar Empfänge für Erdoğan wegen der Repression in der Türkei, und die Onlinezeitung Kapitalis ­titelte: »Roter Teppich für einen Diktator«. Dennoch wurden zwischen ­Tunesien und der Türkei mehrere Abkommen zur bilateralen Kooperation unterzeichnet.

Größere Erfolge hatte Erdoğan kurz zuvor bei seinem Besuch im Sudan verzeichnet, dessen seit 1989 regierender islamistischer Präsident Omar ­al-Bashir sonst recht isoliert ist. Gegen al-Bashir liegen zwei Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschheit und Genozids in der Provinz Darfur vor. Die Türkei mietet nun für 99 Jahre eine sudanesische Insel im Hafen von ­Sawakin am Roten Meer, was Ägypten und Saudi-Arabien verärgert. Offiziell geht es dabei um die Entwicklung des Tourismus, es wird jedoch vermutet, nach Katar und Somalia wolle die Türkei nun in einem dritten Staat eine ständige Militärpräsenz aufbauen. Sawakin war bereits nach der osmanischen Eroberung im Jahr 1517 zu einer Militärbasis ausgebaut worden. Einmal mehr tritt Erdoğan außenpolitisch, zumindest symbolisch, in die Fuß­stapfen osmanischer Expansionspolitik.