Die »konservative Revolution« von Alexander Dobrindt

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Was kümmert mich der Dax Von

Wenn ein Politiker einer etablierten Partei mit rassistischen, rechtspopulistischen oder rechtsextremen Sprüchen auffällt, findet sich schnell eine große Koalition von Schönrednern, die ihm bescheinigt, er habe es gar nicht so gemeint und verfolge, wenn auch vielleicht mit falschen Mitteln, das edle Ziel, die AfD zu schwächen. Erstaunlich selten wird die nächstliegende Möglichkeit in Erwägung gezogen: Er meint es so, hat schon immer so gedacht und wittert nun Morgenluft, weil der vorgebliche Kampf gegen die AfD Äußerungen akzeptabel erscheinen lässt, die noch vor wenigen Jahren selbst bei einem CSU-Politiker als skandalös gegolten hätten.

»Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger«, schrieb Alexander Dobrindt, der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, in einem Gastbeitrag für die Welt. Der Beitrag erschien am 4. Januar. Sollte es ­Dobrindt an historischen Kenntnissen mangeln, so darf man annehmen, dass irgendjemand in der CSU welche hat oder wenigstens Zeitung liest und zur Kenntnis nimmt, dass man unter »konservativer Revolution« eine Strömung von rechtsextremen Stichwortgebern und Wegbereitern des Nationalsozialismus versteht. Korrigiert hat Dobrindt seine Wortwahl nicht. Zudem ist sein Beitrag auch sonst im fakten- und logikfreien Stil des Rechtspopulismus gehalten. »Es gibt keine linke Republik«, schreibt Dob­rindt. Worin aber bestehen dann die schrecklichen Folgen der »linken Revolution«? Da sich beim besten Willen keine im Gulag schmachtenden ­Konservativen finden lassen und die Welt nicht als Samisdat-Bulletin heimlich weitergereicht werden muss, bleibt nur die gängige Behauptung, es gebe eine »linke Meinungsvorherrschaft«. Wo auch immer.

Wohl nicht zufällig propagierte Dobrindt seine »konservative Revo­lution«, mit der »sozialdemokratischer Etatismus« überwunden werden soll, zu Beginn der Sondierungsgespräche mit der SPD. Zudem trat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, dessen »konservative Revolution« schon beachtliche Erfolge verzeichnen kann, bei der CSU-Klausurtagung in Seeon auf. Dort bescheinigte ihm Horst Seehofer, er stehe »zweifelsfrei auf rechtsstaatlichem Boden« – woraus man folgern muss, dass der CSU-Vorsitzende die Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz und antisemitische Regierungskampagnen unproblematisch findet. Es ist noch unklar, ob die CSU eine Große Koalition verhindern oder zu gegebener Zeit platzen lassen will. Klar ist hingegen, dass Dobrindts »bürgerliche« Mehrheit rechnerisch nur zustande kommt, wenn man neben der FDP auch die AfD einschließt. Der Trend geht in Richtung der »illiberalen Demokratie« Orbáns. Zuvor muss es allerdings einen Führungswechsel in der CDU geben. Auch dann ist unklar, ob eine »Bahamas-Koalition« zustande kommt. Noch besteht Hoffnung, dass sich in der FDP genügend Liberale finden, denen ein solches Unternehmen nicht geheuer ist. Und womöglich gibt es in Deutschland sogar eine Mehrheit besorgter Bürger gegen die »konservative Revolution«.