Die NSDAP-Ortsgruppe Palästina hatte unter den Palästina-Deutschen sehr viele Anhänger

Mit der Hakenkreuzfahne in Palästina

Israel feiert in ein paar Monaten seinen 70. Geburtstag. Vor 70 Jahren endete damit auch die deutsche Präsenz in Palästina. Zuvor unterhielten die Palästina-Deutschen dort einen Außenposten der NSDAP.

Was hat eine Saalschlacht zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten in einer Bierschwemme im schwäbischen Nagold im Jahr 1931 mit der Ortsgruppe der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) in Jerusalem zu tun? Offensichtlich eine Menge. Denn mitten im Getümmel befand sich der 21jährige Lehramtsstudent Ludwig Buchhalter. »Ich wurde Zeuge, wie ein befreundeter SA-Mann durch einen Revolverschuss schwer verletzt wurde«, erinnerte er sich noch Jahrzehnte später an dieses Ereignis, das ihn nachhaltig prägen sollte. Politisch zuvor eher desinteressiert, trat Buchhalter kurz darauf der NSDAP bei. Auch das ist eigentlich nichts Besonderes, schließlich taten das damals Hunderttausende. Doch in seinem Fall gibt es eine gewisse Pikanterie: Buchhalter stammte aus Jerusalem, wohin er nach seiner Ausbildung zurückkehrte. Dort wurde er 1932 Lehrer an der Deutschen Schule und 1933 Leiter der NSDAP-Ortsgruppe.

Immerhin errichteten die Palästina-Deutschen sieben Siedlungen. Zudem war ihr Projekt der erste erfolgreiche Versuch einer europäischen Ansiedlung in der Region seit den Kreuzzügen

Diese Nazizelle war Teil eines Netzwerks, das bald unter der Bezeichnung Landesgruppe der NSDAP in Palästina bekannt werden sollte. Wie in Jerusalem rekrutierten sich ihre Mitglieder mehrheitlich aus der Tempelgesellschaft, einer pietistischen Abspaltung der Landeskirche Württembergs, deren Anhänger sich die »Errichtung des Reichs Gottes auf Erden« auf ihre Fahnen geschrieben hatten – und das natürlich nirgendwo anders als im »Heiligen Land«. Sich selbst sahen die frömmelnden Schwaben als neues auserwähltes Volk Gottes, weshalb sie ein Anrecht auf Palästina hätten, wohin sie ab 1868 auswanderten. Gewiss, Gott habe, so Christoph Hoffmann, einer ihrer Anführer, dieses Land einmal den Juden zugesprochen, doch hätten sich diese durch ihre Opposition zu Jesus »versündigt«.

Immerhin errichteten die Palästina-Deutschen sieben Siedlungen. Zudem war ihr Projekt der erste erfolgreiche Versuch einer europäischen Ansiedlung in der Region seit den Kreuzzügen – aber die geplante Herrschaft fiel mangels Masse ins Wasser. Zu Beginn der dreißiger Jahre zählte ihre Gemeinschaft knapp 2500 Personen. Das sollte sie nicht daran hindern, in strikter Trennung von allen Nichtdeutschen zu leben. Schließlich würden die Araber nur »das Brot der Faulheit« essen, wie es hieß, und der Erfolg der Zionisten erkläre sich allein durch die »Macht des jüdischen Goldes«. Ihr klassischer Antijudaismus wurde bald durch rassenbiologische Ideen angereichert. Wenig verwundern darf es daher, wenn 1935 ihr Zentralorgan Die Warte des Tempels stolz verkündete, man habe sich seit Generationen »in der Rassenfrage ganz im nationalsozialistischen Sinne verhalten«.

Wie die Biographie Buchhalters zeigt, leitete das Jahr 1933 eine für die Paläs­tina-Deutschen verhängnisvolle Wende ein: Den Aufstieg Adolf Hitlers deu­teten sie als Beginn einer Renaissance Deutschlands, weshalb sich die schwä­bischen Siedler erstmals überhaupt für eine politische Partei begeisterten. Bereits 1932 hatte Karl Ruff, ein Architekt aus Haifa, erste Kontakte zur Auslandsorganisation der NSDAP geknüpft, die für die Mitglieder jenseits der Reichsgrenzen zuständig war. Vor 1933 besaßen gerade einmal sechs Personen im bri­tischen Mandatsgebiet Palästina das braune Parteibuch. Aber schon im ­November 1933 waren es 42. Bis Januar 1938 wuchs die Zahl auf über 330 – das entsprach rund 17 Prozent aller Palästina-Deutschen. Damit war jeder dritte Erwachsene in die NSDAP eingetreten. Angesichts der Tatsache, dass im Durchschnitt nur fünf Prozent aller im Ausland lebenden Deutschen NSDAP-Parteimitglieder waren, war das ein Spitzenwert.