Indiens Hauptstadt versinkt im Smog, die Regierung behindert Gegenmaßnahmen

Dicke Luft in Indien

Seite 2 – 2,5 Millionen Menschen sterben in Indien jedes Jahr an den ­Folgen der Luftverschmutzung

Die indische Zentralregierung sabotierte die Bemühungen auf ihre Weise: In zwei ­Stufen verdoppelte sie im vergangenen Jahr die Fahrpreise für die U-Bahn in Delhi, was zu einem Verlust von 300 000 Fahrgästen täglich und Protesten der Stadtregierung führte.

So sieht offenbar der Preis dafür aus, dass die politische Führung des aufstrebenden Landes den Fortschritt lediglich am Wirtschaftswachstum misst. Indien setzt dabei auf fossile Brennstoffe, die etwa 75 Prozent der Luft­verschmutzung verursachen.

Zudem hatte 2016 Mercedes-Benz erfolgreich gegen die ­Anordnung der Stadtregierung geklagt, Dieselfahrzeugen mit einem größeren Hubraum als 2000 Kubikzentimeter die Zulassung zu verweigern. 25 Prozent ­aller verkauften Fahrzeuge in Delhi stammen von dem Autobauer.

In Indien sterben mittlerweile 2,5 Millionen Menschen im Jahr an den ­Folgen der Luftverschmutzung. Deren Auswirkungen dürften auch noch in Jahrzehnten spürbar sein: In einer Studie kamen Ärzte des Vallabhbhai Patel Chest Institute 2017 zu dem Ergebnis, dass Kinder im Alter zwischen sechs und 17 Jahren in Delhi durchschnittlich eine etwa zehn Prozent kleinere Lunge haben als Gleichaltrige in US-amerikanischen Großstädten. Zudem war das Lungenwachstum der untersuchten Heranwachsenden in der indischen Stadt verlangsamt.

So sieht offenbar der Preis dafür aus, dass die politische Führung des aufstrebenden Landes den Fortschritt lediglich am Wirtschaftswachstum misst. Indien setzt dabei auf fossile Brennstoffe, die etwa 75 Prozent der Luft­verschmutzung verursachen. 60 Prozent des Energiebedarfs werden mit Kohle gedeckt. Obwohl Indien in erneuerbare Energien investiert, dürften diese bis Mitte dieses Jahrhunderts für höchstens zehn bis 17 Prozent des gesamten Bedarfs ausreichen – der sich bis dahin um 150 Prozent gegenüber heute erhöhen soll. So plant die derzeitige Regierung beispielsweise, den Kohleverbrauch bis 2020 zu verdoppeln.

Gegen die Politik der Zentralregierung opponiert etwa das Indian Social Action Forum (Insaf), eine Vereinigung von etwa 600 Nichtregierungsorganisationen in Delhi. Seit 2013 geht die Regierung bislang vergeblich gerichtlich gegen den Zusammenschluss vor, dem sie vorwirft, gegen nationale Interessen zu handeln. Etliche indische Medien, die finanziell abhängig von Konzernen und einflussreichen Personen sind, helfen dabei, Insaf zu diskreditieren. Wilfred d’Costa, der Vorsitzende der Dachorganisation, erläutert den Grund für die staatliche Repression: »Wir erinnern die Regierung daran, dass es ihre vorrangige Aufgabe ist, mitzuhelfen, dass die Bürger genug zu essen haben, und in eine Entwicklung für alle Bürger zu investieren. Dann hätten wir keine Luftverschmutzung, dreckigen Flüsse und Lärmterror.« Doch in Indien seien die Menschen immer noch überwiegend damit beschäftigt, ihr Überleben zu sichern. Deshalb, so d’Costa, bleibe ihnen keine Zeit, sich Wissen anzueignen und sich um die Umwelt zu kümmern.