Sven Kacirek und Daniel Muhuni haben Interviews mit Menschen aus Kenia vertont

O-Töne aus Ost­afrika

Dem Deutschen Sven Kacirek und dem Kenianer Daniel Mburu Muhuni glückt in ihrer Kooperation eine Verbindung von politischem Statement und überraschend klingender Musik.

Wenn sich gestandene Künstler in fortgeschrittenem Alter politisch ­äußern – das wissen wir nicht erst seit Steven Patrick Morrissey –, fällt oft ein Schatten auf ihr Werk. Dass es auch ganz anders geht, beweisen der Hamburger Sven Kacirek und sein kenianischer Kollege Daniel Mburu Muhuni.

Kacirek ist alles andere als ein ­musikalischer Newcomer. Schon als Kind spielte er Schlagzeug, heute ist er ein etablierter Produzent und Percussionist, der schon mit Jazz-­Größen wie Shabaka Hutchings, Nils Frahm, Sofia Jernberg und John McEntire von Tortoise arbeitete. Kacirek reiste erstmals 2007 nach Kenia, um dort Musik für eine Tanzperformance von Angela Guerreiro zusammenzutragen. Er kehrte immer wieder in das ostafrikanische Land ­zurück. Weitere Veröffentlichungen entstanden, unter anderem die 2011 erschienenen »Kenya Sessions«, in denen er traditionelle Musik aus ­allen Landesteilen mit seinen Kompositionen für Percussions verschmilzt, oder mehrere Kollaborationen mit der Sängerin Ogoya ­Nengo. Im Laufe dieser regelmäßigen Be­suche freundete sich Kacirek zum einen mit Daniel Mburu Muhuni an, ­einem Perkussionisten aus Nairobi, der zuvor auch schon mit den Ge­brüdern Teichmann und als musikalischer Leiter eines Tanztheaters ge­arbeitet hatte. Zum anderen hörte ­Kacirek 2013 in Gesprächen dort erstmals vom sogenannten »Economic Partnership Agreement«, kurz EPA.

In zahlreichen Gesprächen mit ­Aktivisten, Journalisten und potentiell Betroffenen in Kenia und Deutschland zeigte sich, dass so gut wie niemand in Kenia, inklusive Muhuni, ­jemals von diesem Thema gehört hatte, und formte sich der Plan für ein Projekt.

Dabei handelt es sich um bilate­rale Handelsabkommen zwischen der ­Europäischen Union und diversen afrikanischen, karibischen und ­pazifischen Staaten, an denen die EU bereits seit 2007 arbeitet (Jungle World 2/2008). 2016 traten die ersten Abkommen ohne größere öffentliche Aufmerksamkeit in Kraft. Ein EPA-Handelsabkommen sieht vor, dass die Partnerstaaten außerhalb der EU ihre Märkte weit für europäische Handelswaren öffnen, die Zölle für fast 90 Prozent der Einfuhren streichen und einen großzügigen Zugang zu Rohstoffen gewähren. Die EPA-­Abkommen weichen geistige Eigentumsrechte weitgehend auf und ­liberalisieren den Wettbewerb um öffentliche Aufträge zu Ungunsten ­lokaler Unternehmen. Für ökonomisch besonders schwache Länder (im Fachjargon Least Developed Countries, LDC) bieten die Abkommen ­keinerlei neue Vorteile, da diese Länder bisher uneingeschränkten ­Zugang zu EU-Märkten hatten. Nun müssen die LDC der EU entgegenkommen.

Unter anderem diese Asymmetrie ist ein Grund dafür, weshalb Länder wie Kenia lange die Unterzeichnung verweigerten. Als Reaktion auf diesen Widerstand belegte die EU Kenia mit höheren Einfuhrzöllen, in erster Linie auf Kaffee und Blumen, zwei der wichtigsten Handelsgüter eines ­Landes, in dem die Hälfte der Bevölkerung von der Landwirtschaft ­abhängig und das seit 2003 der weltgrößte Blumenexporteur ist. Kenia gab dem Druck schließlich nach, muss nun aber seinerseits Druck auf sich noch sträubende Nachbarstaaten wie Tansania ausüben, da beide Teil der ostafrikanischen Gemeinschaft sind, einer aus fünf Staaten bestehenden Handels- und Zollunion. Die postkolonialen Strukturen treten hier klar zutage.

In zahlreichen Gesprächen mit ­Aktivisten, Journalisten und potentiell Betroffenen in Kenia und Deutschland zeigte sich, dass so gut wie niemand in Kenia, inklusive Muhuni, ­jemals von diesem Thema gehört hatte, und formte sich der Plan für ein Projekt. Kacirek erzählt: »Ich dachte mir, vielleicht könnte Musik in diesem Fall als Brücke fungieren, dieses Thema mehr Leuten bekannt zu machen.

Parallel hatte ich mich gerade an Tschaikowskis Nussknacker-Suite abgearbeitet und hatte nach dieser Elfenbeinturm-Arbeit das Verlangen, etwas zu machen, das eine stärkere politische und gesellschaftliche ­Relevanz besitzt.«