US-Präsident Trump hat den Temporären Schutzstatus für Geflüchtete aus mehreren Ländern aufgehoben

Überleben ohne Schutz

US-Präsident Donald Trump hat den Temporären Schutzstatus für Geflüchtete aus verschiedenen Ländern aufgehoben. Die größte Gruppe der nun von Abschiebung Bedrohten bilden die rund 262 000 Geflüchteten aus El Salvador.

Ein junger Mann aus El Salvador verteilt gegen Spende aus Sisal geflochtene ­Rosen vor einem Supermarkt in der mexikanischen Grenzstadt Ciudad ­Juárez. In der kommenden Nacht will er den Grenzübertritt in die USA nahe des Hügels Cristo Rey im Westen der Stadt wagen. »In meinem Land herrscht ein unsichtbarer Krieg. Die Jugend­banden beherrschen die Viertel und erpressen die Bevölkerung«, sagt er. Dass er für einen irregulären Grenzübertritt in den USA Strafen riskiert, ist ihm ­relativ egal – und ebenso, dass die Regierung von US-Präsident Donald Trump Anfang Januar den Temporären Schutzstatus (TPS) für vor Katastrophen und Kriegen flüchtenden Menschen aus El Salvador, Haiti, Nicaragua und dem ­Sudan aufgehoben hat.

Die Aufhebung des TPS ist für Tausende Geflüchtete und ihre Familien besorgniserregend. Seit der US-Kongress den TPS im Rahmen der Einwanderungsreform 1990 einführte, wurde dieser Status fast 437 000 Menschen aus zehn Ländern gewährt. Viele konnten über die Jahre in den USA einen ge­sicherten Aufenthaltstitel erlangen, so dass derzeit noch 320 000 Menschen dem TPS unterliegen. Sie können damit legal in den USA leben und arbeiten, allerdings wird ihr Status alle 18 Monate je nach der Situation in ihrem Herkunftsland neu bewertet.

Das von der Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen angekündigte Ende des Programms für vier der insgesamt zehn Länder trifft El Salvador am härtesten. Bis zum September 2019 sollen fast 262 000 Menschen in das kleine mittelamerikanische Land zurückkehren, das nur 6,3 Millionen Einwohner hat. Ein Großteil von ihnen kam nach dem Hurrikan Mitch 1998 oder nach den verheerenden Erdbeben im Jahr 2001 in die Vereinigten Staaten. Viele salvadorianische Bürgerkriegsflüchtlinge, die den TPS direkt nach dessen Schaffung erlangen konnten, haben mittlerweile einen langfristigen Aufenthaltstitel erworben.

Jene derzeit vom TPS profitierenden Salvadorianer, denen dies nicht ­gelingt, werden in den kommenden 18 Monaten das Land verlassen müssen, sonst droht ihnen die Abschiebung aus den USA. Doch Laura Aguirre, eine salvadorianische Akademikerin und Journalistin des Internetmagazins El Faro, glaubt nicht an eine Rückkehr: »Die Menschen haben in den USA Familien gegründet, ihre Kinder zur Uni­versität geschickt, Häuser gekauft und sich im Arbeitsleben etabliert. In El Salvador hingegen haben sie keine Perspektive. Es gibt keine Arbeit, und selbst ein Geschäft zu eröffnen, ist kaum sinnvoll angesichts der Schutzgeldpressungen der Jugendbanden.« Aguirre geht davon aus, dass die große Mehrheit der Betroffenen in die Klandestinität gehen wird.

»Trump löst sein Wahlversprechen ein und beendet den TPS. Ob die Betroffenen dann tatsächlich das Land verlassen, ist zweitrangig. Sie verlieren all ihre Rechte und werden illegalisiert«, so Aguirre. Wie andere Menschen ohne Papiere müssen sie Schutzstrategien entwickeln, um nicht aufzufallen. Jedes Verkehrsvergehen kann zur Entdeckung und Abschiebung führen. Aber es gibt auch immer mehr Hausdurchsuchungen in den großen Ballungszentren wie Los Angeles, New York City und Houston, in denen die größten salvadorianischen Communities ­angesiedelt sind. Zwar beraten Nichtregierungsorganisationen sie hinsichtlich der Rechte, die sie haben, wenn die Migrationspolizei vor der Haustür steht. »Es bleibt jedoch ein Leben in ständiger Angst und Unsicherheit in Fami­lien, in denen einige Angehörige einen gesicherten Aufenthaltsstatus ­haben und andere nicht«, schließt Aguirre.

Das Ende des TPS könnte unzählige Familien auseinanderreißen. Derzeit leben in den USA rund 273 000 Kinder, die zwar die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen, deren aus El Salvador stammende Eltern allerdings nicht eingebürgert sind. Wenn Eltern ohne Aufenthaltsstatus abgeschoben werden, bleiben die Minderjährigen oft zurück. Bereits unter Präsident Barack Obama wurden vermehrt Menschen ohne Papiere, die seit langem in den USA leben, von der Migrationspolizei ICE aufgegriffen und abgeschoben. Vormals waren es vor allem Personen, die direkt beim Grenzübertritt vom ­US-Grenzschutz festgenommen wurden. Das Ausbleiben einer Reform des Einwanderungsrechts in den USA setzt Millionen Menschen, die sich ihr ­Leben dort aufgebaut haben, Steuern zahlen und in die Gesellschaft integriert sind, dem Risiko der Abschiebung aus.

 

»Nationaler Notstand« für El Salvador

 

Nicht nur in den USA, auch in El Salvador selbst bangen Tausende Familien wegen der Aufhebung des Temporären Schutzstatus um ihr Auskommen. Die salvadorianische Tageszeitung El Mundo bezeichnete die Entscheidung, das Programm zu beenden, als »besorgnis­erregend für alle Salvadorianer«, ob im eigenen Land oder in den USA lebend. Denn die Abschiebung beziehungsweise Illegalisierung von 262 000 Menschen würde die prekäre sozioökonomische Situation in El Salvador verschlimmern. Allein im Jahr 2015 haben im Ausland lebende Salvadorianer vier Milli­arden US-Dollar ins Land überwiesen, fast ein Sechstel des Bruttoinlands­produkts.

 

Während für El Salvador und auch Nicaragua das Ende des Temporären Schutzstatus ausgerufen wurde, hat die Regierung unter Trump noch keine Entscheidung über eine Beendigung des TPS für Honduras getroffen.

 

El Salvadors Präsident Salvador Sánchez Cerén, ein ehemaliger Guerillakommandant und langjähriger Spitzenpolitiker des zur linken Partei gewandelten und derzeit regierenden FMLN, setzte sich am Telefon persönlich bei Nielsen dafür ein, seinen Landsleuten über den September 2019 hinaus Aufenthalt zu gewähren, damit sie mehr Zeit hätten, einen langfristigen Aufenthaltsstatus zu erwerben. »Wir sind bereit, unsere Brüder zu empfangen, die zurückkehren«, ließ Präsident Sánchez jedoch gleichzeitig vor den Medien in El Salvador verlauten. Tatsächlich gibt es aber noch nicht einmal ausreichende Programme für die Abgeschobenen, die tagtäglich aus den USA eingeflogen werden.

Das digitale salvadorianische Nachrichtenmagazin El Faro, das seit Jahren über die Migration in Richtung Norden berichtet, bezeichnete das Ende des TPS deshalb als »nationalen Notstand« und appellierte an Regierung und Abgeordnete, die verbleibenden 18 Monate dazu zu nutzen, alternative Einkommensquellen für all jene Familien zu schaffen, die durch die Rücküber­weisungen aus dem Ausland bisweilen seit zwei Jahrzehnten ein Auskommen haben. Denn diejenigen, die durch den TPS legale Arbeitsverhältnisse in den USA aufnehmen konnten, haben ganz andere Möglichkeiten, Einkommen zu erwirtschaften, als ihre illegalisierten Landsleute.

Wirtschafts- und sicherheitspolitisch müsse gewährleistet werden, dass Rückkehrende ihre Ersparnisse produktiv anlegen können, hieß es in El Faro. Sonst würden massenhafte Abschiebungen wie bereits in den neunziger Jahren »ein Monster schaffen, das heute das gesamte Land in die Knie zwingt«. Damals entstanden nämlich die Jugendbanden, die maras, die mittlerweile weite urbane und ländliche Gebiete in Mittelamerika kontrollieren. Vor allem im vergangenen Jahrzehnt ist eine ­große Zahl an jungen Familien, alleinerziehenden Müttern und unbe­gleiteten Minderjährigen aus El Salvador, Guatemala und Honduras vor Schutzgelderpressungen, Zwangsrekrutierungen und sexueller Gewalt durch die Banden Richtung USA geflohen.

Während für El Salvador und auch Nicaragua das Ende des Temporären Schutzstatus ausgerufen wurde, hat die Regierung unter Trump noch keine Entscheidung über eine Beendigung des TPS für Honduras getroffen.

Seit dem »Putsch durch Wahlen« im November 2017 ist das Land im Ausnahme­zustand. Während der umstrittene Präsident Juan Orlando Hernández die von ihm geschaffene Militärpolizei auf Protestierende ­schießen lässt und ­Oppositionelle willkürlich festgenommen werden, ruft die aufgebrachte ­Bevölkerung immer wieder zu Generalstreiks auf und blockiert Flughäfen und Überlandstraßen. Bis Anfang Juli gilt der TPS für Honduras weiter, was danach geschehen wird, ist unklar. Die Organisation Amerika­nischer Staaten stellte im Dezember fest, dass angesichts der Manipula­tionen unklar sei, wer die Wahl gewonnen habe. Dass Trump Hernández ­denoch zu dessen angeblichem Wahlsieg gratulierte, gibt wenig Anlass zu Optimismus.