Smalltalk mit Steffen Hage­mann vom »Berliner Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus«

»Von mehreren Seiten Druck machen«

Pflegekräfte, Auszu­bildende und Ärzte verschiedener Berliner ­Kliniken haben am Donnerstag ein Volksbegehren »für gesunde Krankenhäuser« initiiert. Steffen Hage­mann vom »Berliner Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus« hat mit der Jungle World über das Vorhaben gesprochen.
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STUnion und SPD haben in den Koalitionsgesprächen vereinbart, 8 000 neue Pflegestellen zu schaffen. Was ist von dieser Ankündigung zu halten?
Die 8 000 Pflegestellen beziehen sich ausschließlich auf Altenpflegeheime und lassen Krankenhäuser außen vor. Wenn man das auf die Zahl der Pflegeheime herunterrechnet, ist das verschwindend gering. Interessant ist die Überlegung, die Pflege aus dem Fallpauschalensystem herauszunehmen, nach dem Krankenhausbehandlungen abgerechnet werden. Dieses System war eine Stellschraube, um Kosten zu sparen und Gewinne zu erhöhen. Die Politik hat aufgrund des Drucks erkannt, dass es kein geeignetes Instrument für die Pflege ist, und will ein neues Kostenvergütungsinstrument einführen. Doch auch da ist kritisch zu hinterfragen, wie das aussehen wird, weil es weiterhin mit dem Fallpauschalensystem kombinierbar sein soll, das nach ökonomischen Kriterien funktioniert. Auch die geforderte Pflegeuntergrenze für Stationen mit Betten ist noch sehr schwammig, weil nicht gesagt wird, wie diese Untergrenze errechnet wird und ob man auf lange Sicht nicht stagniert.

Ist es schwierig, die Öffentlichkeit für dieses Thema zu interessieren?
Das ist relativ einfach, weil immer wieder über Missstände in Krankenhäusern und Pflegeheimen berichtet wird. Wenn man auf konkrete Situationsbeschreibungen herunterbricht, was das Fallpauschalensystem bedeutet, dann kennen die Leute das aus eigenen Erfahrungen oder Erzählungen von Freunden und Verwandten: unzureichendes und gestresstes Pflegepersonal, lange Wartezeiten, schlechte Versorgung.

Der Senat hat Investitionen für die Zukunft schon zugesagt. Was steht dahinter?
Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) hat im Doppelhaushalt für dieses Jahr 140 und für nächstes Jahr 160 Millionen Euro vorgesehen. Damit liegt man im Bundesdurchschnitt. Bundesdurchschnitt heißt aber immer noch deutlich weniger, als gebraucht wird. Nach unseren Berechnungen wären das jährlich 300 Millionen Euro.

Wäre es nicht Sache des Arbeitskampfes, für bessere Arbeitsbedingungen zu streiten?
Ich denke, dass sich das gut kombinieren lässt. Der Gesetzentwurf basiert auf dem Tarifvertrag der Charité. Eine Idee war, dasselbe auch für die Krankenhäuser durchzukämpfen, die Organisierungsprobleme oder keine kampfstarke Belegschaft haben, um für alle Berliner Krankenhäuser einen Standard zu setzen. Ich glaube, es ist immer gut, von mehreren Seiten Druck zu machen, sowohl auf ­betrieblicher als auch auf gesetzlicher Ebene.