Die AfD in Niedersachsen ist zerstritten und ihre Landtagsfraktion beschäftigt zwei Personen, die den Identitären nahestehen

Identitäre Mitarbeiter

Nach der Absetzung des umstrittenen Landesvorsitzenden Armin-Paul Hampel durch den Bundesvorstand sollte bei der niedersächsischen AfD eigentlich Ruhe einkehren. Doch die Anstellung zweier Mitarbeiter mit Nähe zur rechtsextremen Szene sorgt weiter für negative Presse.

Seit dem 19. Januar ist es vorerst aus mit Hampels Herrschaft: Mit Zweidrittelmehrheit wurden der AfD-Landesvorsitzende Armin-Paul Hampel sowie der gesamte niedersächsische Vorstand durch einen Beschluss des Bundesvorstandes entmachtet. In der Begründung heißt es, der Landesvorstand habe »schwerwiegend gegen die Grundsätze beziehungsweise die Ordnung der Partei verstoßen«.

Der Absetzung war ein monatelanger parteiinterner Streit um die Führung der AfD Niedersachsen vorausgegangen, der zuletzt immer weiter eskalierte. Ein eigentlich für Mitte Januar angesetzter Sonderparteitag hätte für klare Machtverhältnisse sorgen sollen, wurde jedoch kurzfristig abgesagt. Hampel entkam so vorerst seiner möglichen Abwahl, nun jedoch lenkt nach der Entmachtung ein von der Bundesspitze eingesetzter Notvorstand vorübergehend den Landesverband. Hampel, dem seine Gegner unter anderem einen »diktatorischen Führungsstil« vorwerfen, hatte noch mit einem Antrag versucht, die Entscheidung zu kippen. Doch das Bundesschiedsgericht wies diesen zurück. Nun will er erneut kandidieren. Die Vorsitzende der Landtagsfraktion, Dana Guth, sowie der Bundestagsabgeordnete Jörg König wollen ebenfalls antreten. Ob der kommende Parteitag, der vom Übergangsvorstand organisiert werden soll, tatsächlich Ruhe in den zerstrittenen niedersächsischen Landesverband bringen wird, ist fraglich.

Auch für die AfD-Fraktion im niedersächsischen Landtag läuft es nicht rund, sie sieht sich durch eine »Lex AfD« benachteiligt. Derzeit hat jede der im Landtag vertretenen Fraktionen das Recht auf einen Sitz im Rat der »Stiftung niedersächsische Gedenkstätten«, also auch die AfD. Doch die Landespolitik reagiert auf die Proteste von NS-Überlebenden und die Bedenken des Geschäftsführers der Stiftung, Jens-Christian Wagner. Dieser hatte sich für einen Ausschluss der Partei aus dem Gremium ausgesprochen. Die AfD teile »unsere Absicht, die NS-Opfer zu ehren«, nicht, sagte Wagner der Deutschen Welle.

Immer wieder hatten Aussagen von AfD-Spitzenpolitikern zur NS-Vergangenheit für Skandale gesorgt, so beispielsweise der Thüringer Fraktionsvorsitzende Björn Höcke, der im Januar 2017 von »dämlicher Bewältigungspolitik« sprach. Es gehe, so Wagner, um »die Frage, was weniger schädlich ist: der AfD die Möglichkeit zu geben, sich als Opfer zu präsentieren, oder eine Partei im Stiftungsrat zu haben, die sich öffentlich gegen die Mission der Stiftung ausspricht«. SPD, CDU, Grüne und FDP wollen demnächst die Anzahl der Landtagsvertreter im Stiftungsrat per Gesetzesänderung auf vier beschränken, somit bliebe die AfD als kleinste Fraktion draußen. »Im ­politischen Alltag stellen wir uns den inhaltlichen und argumentativen Aus­einandersetzungen mit der AfD auf allen Ebenen – den Vertreterinnen und Vertretern der Opferverbände können und wollen wir eine solche Auseinandersetzung in Rahmen eines solchen Gremiums jedoch nicht zumuten«, heißt es zum Beispiel seitens der SPD-Fraktion. Die niedersächsische AfD-Fraktion sieht das selbstverständlich anders und meint, »eine gesetzliche Regelung, die nur das Ziel verfolgt, eine Fraktion aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen«, entspreche nicht rechtsstaatlichen Prinzipien.

Zuletzt erfuhr die Landtagsfraktion zudem vermehrte Kritik wegen zweier Mitarbeiter. Ende Januar nämlich wurde bekannt, dass der Landesvorsitzende der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA), der Göttinger Lars Steinke, nun einen Posten bei der AfD im Landtag ergattert hat. Dabei soll es sich um ein geringfügiges, bis Juni befristetes Beschäftigungsverhältnis handeln. Steinke war in der Vergangenheit immer wieder durch seine Nähe zur rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) aufgefallen, beispielsweise wurde er noch Mitte 2017 im Hausprojekt der Hallenser IB-Gruppe »Kontrakultur« fotografiert. Im Dezember 2017 posiert Steinke mit einer Armbrust auf Instagram, das Bild war mit dem Hashtag #defendeurope versehen. Nach Kritik rechtfertigte er sich im Arcadi Magazin. Steinke plädierte in dem neurechten Lifestyle-Blatt für ein liberales Waffenrecht und dafür, »die ungezügelte Zuwanderung von Menschen aus strukturell gewalttätigen Erdteilen ­beziehungsweise Kulturkreisen zu stoppen«.

Aufsehen erregt nun auch der Fall einer weiteren Mitarbeiterin, deren Name sich nach Recherchen des NDR »auf der offiziellen Landtagsliste der AfD-Fraktionsmitarbeiter wiederfindet«. Es handelt sich, wie die Taz schreibt, um Hildburg Meyer-Sande, die bereits mehrfach an öffentlichkeitswirksamen Aktionen der IB teilgenommen hat. Ein von den Rechtsextremen zu Propagandazwecken ins Netz gestelltes Video aus dem September 2016 zeigt die heute 30jährige mit weiteren bekannten norddeutschen Mitgliedern der Organisation in Tracht und plattdeutsch singend bei einer »Kulturaktion« an den Hamburger Landungsbrücken. Zudem war Meyer-Sande im August des gleichen Jahres beteiligt, als IB-Mitglieder die Vorfälle in der Kölner Silvesternacht aufgriffen und für ein kurzes Happening, ebenfalls an den Hamburger Landungsbrücken, ausschlachteten. Fotos zeigen sie, wie sie ein Transparent mit der Aufschrift »Wann ist es euch bunt genug?« hält. All das hätte die AfD-Frak­tion wissen können beziehungsweise wissen müssen. Das Video und die Bilder sind nach wie vor auf der Facebook-Seite der IB Hamburg zu sehen.

Hinzu kommen weitere Hinweise auf Meyer-Sandes Betätigung bei den Identitären. Im Juli 2016 nahm sie im Dirndl an einer Kundgebung des bayerischen Ablegers der IB vor der Staatskanzlei in München teil, wie Aufnahmen zeigen. Auch hier steht sie an vorderster Stelle und hält ein Banner. ­Außerdem zeigt ein Foto von Recherche Nord, wie sie im Februar 2010 in Dresden an der jährlichen Nazidemonstration anlässlich der Bombardierung der Stadt teilnimmt. Sollte die AfD Niedersachsen durch dieses Foto in Er­klärungsnot geraten, kann sie einfach die Antwort der Thüringer AfD kopieren, als diese sich zur Teilnahme von Björn Höcke an jener Demonstration äußerte: Es war nur eine friedliche »Gedenkveranstaltung für die Opfer der Bombardierung Dresdens«.