Homestory

Homestory #10

Das Dasein als Redakteur tut ja oft ziemlich weh. Arbeiten unter dem unerbittlichen Druck der Deadline, die aufreibenden Diskussionen innerhalb der Redaktion, elend lange Konferenzen. Besonders schmerzhaft wird es aber, wenn es ans Eingemachte geht: Die Nachrichten sind deprimierend, allerlei Vorfälle auf der ganzen Welt ernüchternd. Die Weltlage löst des Öfteren unangenehme körperliche Reaktionen aus – Kopfschmerzen, Übelkeit und Herzrasen. Und auch das Verfassen der Homestory zehrt meist merklich an den Nerven. Manchmal tut es aber auch ganz buchstäblich weh, zum Beispiel wenn ein Redakteur sich dazu entscheidet, trotz Glätte mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, dabei ausrutscht und mit dem rechten Arm auf den Gehweg knallt. Die kurz darauf von den Kollegen verabreichten Schmerzmittel brachten keine Linderung. Auch die Anwendung der ganzheitlichen fernöstlichen Medizin, nämlich das Kühlen mit einem im Eisfach gefundenen Beutel Bami Goreng, half nicht. Diagnose: traumatische Radiusköpfchenfraktur. Das klingt wie ein kurzes Gedicht, ist aber nur ein schnöder und schmerzhafter Knochenbruch im Ellenbogen.

Warum haben so viele Krankheiten eigentlich solch schöne Bezeichnungen? »Depressive Episode« (wissenschaftlich korrekt für Depression) oder »apoplektischer Insult« (zu Deutsch: Schlaganfall) sind nur zwei davon, die einen ganz eigenen Singsang beinhalten und die schwere Krankheit gleich vergessen machen. Sind Ärzte in Wirklichkeit verhinderte Poeten, die während ihrer Arbeit nett klingende Wortkombinationen aufsagen wollen? Sollen Patienten denken, dass für sie ein Gedicht rezitiert wird, wenn sie ihre Diagnose erhalten? Womit wir wieder beim Journalismus wären, denn auch der lebt von hübsch formulierten Ekligkeiten und Gemeinheiten.

Doch zurück zum Schmerz: Dem Ressortkollegen des Verunglückten dürfte es auch ein wenig wehgetan haben, die Arbeit für diesen, der nicht mehr tippen kann, plötzlich mitmachen zu müssen. Aber nach fast einem Monat, einer Operation und Krankengymnastik ist der vermisste Kollege wieder da und zeigt etwas zurückhaltend, aber doch bereitwillig seine, wie manche finden, supercoole Narbe herum. So was zieht man sich nur im Dschungel bzw. in der Jungle zu. Wer Mitarbeiter des Monats wird, ist ja wohl klar.