Die Firma Cambridge Analytica soll Daten von Facebooknutzern zur Wahlmanipulation genutzt haben

Besser wählen mit Big Data

Dienstleistungen der besonderen Art bietet die zwielichtige Firma Cambridge Analytica, die bei Donald Trumps Wahl zum Präsidenten eine Rolle spielte. Auch die EU-Austrittskampagne des heutigen britischen Außenministers Boris Johnson gerät in Erklärungsnot.

Was deutsche Medien vor allem als Facebook-Skandal beschreiben, wird in den USA und Großbritannien als mit Millionenaufwand betriebener, bislang sehr erfolgreicher Versuch US-amerikanischer Alt-right-Vertreter und euro­päischer EU-Gegner gesehen, ihre Kampagnen zum Erfolg zu führen. Und das mit oft dubiosen Mitteln – bis hin zum Aufbau virtueller politischer Parallelwelten, die perfekt auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten waren.

Dass die in London ansässige Firma Cambridge Analytica (CA) weit mehr als Politikberatung anbot, ist nicht erst bekannt, seit mit Chris Wylie ein ehemaliger Mitarbeiter zum Whistleblower wurde. Bereits 2015 hatte es Medien­berichte über die dem amerikanischen Magazin New Republic zufolge »zwielichtige« Firma gegeben, die psychographisches Profiling und gezieltes Data-Mining betreibe; zu diesem Zeitpunkt arbeitete CA noch für den rechtskonservativen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ted Cruz. Recherchen ergaben damals, dass die Familie des ultrakonservativen Unternehmers und Informatikers Robert Mercer Anteile an dem Unternehmen hält. Mercer ist nach Angaben der Washington Post einer der zehn in der Politik einflussreichsten Milliardäre.

Ab Sommer 2016 arbeitete CA im US-Wahlkampf nur noch für Donald Trump. Vieles von dem, was der der­zeitige Präsident als seine Marken­zeichen etablierte, war zuvor bei CA ersonnen und ausgiebig getestet ­worden, etwa der Spruch »Make America great again«.

Dabei nutzte man die mit Hilfe einer App gesammelten Daten: 270 000 ­Facebook-User hatten sich »thisisyour­digitallife« heruntergeladen – und gleichzeitig zugestimmt, dass nicht nur ihre persönlichen Details und ­Vorlieben, sondern auch die ihrer Freunde gesammelt und ausgewertet werden konnten.

Benutzt wurden diese Daten im Wahlkampf allerdings nicht nur, um Trump zum Sieg zu verhelfen. Die Anhänger von Bernie Sanders hatten schon früh allen Grund, der Demokratischen Partei nicht zu trauen. Dass Hillary Clinton die offizielle Präsidentschaftskandidatin sein werde, galt bereits zu Beginn des Vorwahlkampfs als beschlossene Sache, zudem war die chronisch klamme Partei auch finanziell auf Clinton angewiesen.

 

Bei weltweit über 200 Wahlen, so Alexander Nix, Geschäftsführer von CA, gegenüber einem Undercover-Reporter, habe die Firma bisher mitgemischt.

 

Anhänger von Sanders dazu zu bringen, nicht für Hillary Clinton zu stimmen, war ein wichtiges Vorhaben, um Trump wenigstens ansatzweise Chancen auf den Sieg zu eröffnen. Also wurden für diejenigen, die sich auf Facebook beispielsweise als Bernie-Fans bezeichneten, besondere Anzeigen geschaltet. Das Ziel war es, mit nicht immer auch nur halbwegs den Tatsachen entsprechenden Vorwürfen Stimmung gegen die Kandidatin zu machen. Dass die Sanders-Anhänger misstrauisch reagieren könnten, wurde dabei einkalkuliert. Im Wissen, dass die meisten Menschen beim Googeln regelmäßig nur auf die Links der ersten beiden Ergebnisseiten klicken, waren zuvor Blogs und Web­sites so präpariert und optimiert worden, dass sie, jedenfalls auf den ersten Blick, genau das bestätigten, was in den Annoncen behauptet worden war. ­Entsprechende Hashtags auf Twitter sowie Youtube-Videos rundeten die multimediale Beeinflussung ab.

Der britische Fernsehsender Channel 4 hatte seit November 2017 zu ­Cambridge Analytica recherchiert. Ein Undercover-Reporter gab sich zudem kürzlich als potentieller Kunde aus und gewann das Vertrauen des Geschäftsführers Alexander Nix. Er sei aus Sri Lanka und wolle Möglichkeiten aus­loten, die dortigen Wahlen zu beeinflussen, hatte der Journalist gesagt. Vermutlich in der Hoffnung auf einen lukra­tiven Auftrag erklärte Nix detailliert, wie das Unternehmen vorzugehen pflege. Dabei wurde er mit versteckter Kamera gefilmt. Bei weltweit über 200 Wahlen, gab Nix an, habe die Firma bisher mitgemischt. Und das nicht immer nur mit Hilfe gesammelter Daten, maßgeschneiderter Werbung und Slogans: Zum Programm gehöre es auch, Gegenkandidaten Fallen zu stellen, sie zu bestechen, Prostituierte einzusetzen, um sie moralisch diskreditieren zu können, oder dafür zu sorgen, dass sie in Skandale verwickelt werden.

Nix wurde prompt suspendiert, allerdings nur von Cambridge Analytica. Bei der britischen SCL Group, an der er gemeinsam mit Mutter und Schwester 25 Prozent der Anteile besitzt, bleibt er im Direktorium; beide Firmen teilen sich ein Büro in London.

In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg hatte Nix im vergangenen Jahr noch zugegeben, dass CA und SCL mehr als nur Büroräume teilten, nämlich auch Methoden und Datenanalysen. Beide Firmen seien nicht klar getrennt, sondern überlappten sich, hatte er erklärt, »es gibt eine Beziehung, es ist nur nicht so ganz klar, was für eine«.