In Italien beginnen die Koalitionsverhandlungen

Gespräche nach dem Kuss

In Italien stehen Koalitionsgespräche zwischen den rechten Parteien an. Linke Parteien haben kaum noch politischen Einfluss.

Matteo Salvini und Luigi Di Maio bei einem populistischen Bruderkuss: Während in der Nacht von Freitag auf Samstag vergangener Woche in Italien noch über den Vorsitz der beiden Kammern des Parlaments gestritten wurde, nahm ein Wandbild des aus Palermo stammenden Straßenkünstlers Salvatore Benintende, Künstlername Tvboy, in einer der engen Gassen zwischen den Sitzen der beiden Kammern das Übereinkommen der beiden Wahlsieger vorweg. In enger Abstimmung gelang es den Vorsitzenden der Lega und des Movimento 5 Stelle (M5S), ihr erstes wichtigstes Ziel zu erreichen. Für beide ging es darum, den jeweils eigenen Führungsanspruch unter Beweis zu stellen.

Bei den Wahlen Anfang März war die Lega vor Silvio Berlusconis Forza Italia (FI) zur stärksten Partei des rechten Wahlbündnisses geworden, nun musste Salvini zeigen, dass er damit auch wirklich zum Anführer der italienischen Rechten aufgestiegen ist. Seine Ablehnung des FI-Wunschkandidaten für den Senat war ein Affront gegen Berlusconi und zugleich ein Zugeständnis an den M5S. Letztlich war es vor allem ein symbolischer Akt: Mit der Anwältin Maria Elisabetta Alberti Casellati wurde nämlich trotzdem eine Parteigängerin der FI und treue Verteidigerin Berlusconis zur Senatspräsidentin gewählt.

 

Eine Linke, die sich in die Debatte einmischen könnte, gibt es nicht mehr.

 

An den M5S, der aus den Wahlen wie erwartet als stärkste Partei hervorgegangen war, aber die erhoffte Mehrheit für eine Alleinregierung deutlich verfehlte, ging das Amt des Präsidenten der Abgeordnetenkammer. Mit Roberto Fico verschaffte der M5S-Vorsitzende Di Maio seinem vermeintlichen bewegungsinternen Widersacher das dritthöchste Amt im Staat. Fico kam einst aus Enttäuschung über die Linken zum M5S und ist in der vergangenen Legislaturperiode tatsächlich dadurch aufgefallen, dass er sich gelegentlich von den rechtspopulistischen Positionen der M5S-Spitze öffentlich distanzierte. Mit seiner Wahl hält sich die selbsternannte »postideologische« Bewegung alle Optionen für die nun anstehenden Koalitionsgespräche offen.

Denn noch ist nicht abzusehen, ob es nach dem ersten »Bruderkuss« zwischen dem M5S und der Lega zu einer längerfristigen Verbindung zum Zweck der Regierungsbildung kommen wird. Für den M5S wäre eine Koalition, der auch die Forza Italia angehört, ein schwer zu kaschierender Bruch mit der über Jahre propagierten Ablehnung Berlusconis. Umgekehrt scheint derzeit schwer vorstellbar, dass die Lega das Bündnis mit Forza Italia aufkündigt, um in eine Koalition mit dem M5S zu treten, in der sie sich in der Rolle des kleineren Bündnispartners wiederfinden würde. Über die Möglichkeit, dass sich Salvini und Di Maio letztlich doch brüderlich darauf verständigen, als gleichrangige Partner in eine Koalition zu gehen und das Amt des Ministerpräsidenten einem neutralen Dritten zu überlassen, wird bisher nur spekuliert.

Vielleicht mischt sich nach den Osterfeiertagen, wenn die Konsultationsgespräche beginnen, der Partito Democratico (PD) doch noch in die Regierungsbildung ein. Matteo Renzi ist zwar nach der klaren Wahlniederlage der Demokraten vom Parteivorsitz zurückgetreten, beeinflusst aber als Senator weiterhin die PD-Fraktionen in den beiden Kammern. In seiner Rücktrittsrede hat er die Partei auf die Oppositionsrolle eingestimmt, in der Hoffnung, dass sich der M5S und die Lega beim Versuch einer Regierungsbildung schaden werden, so dass sich der PD bei vorgezogenen Neuwahlen als einzige verlässliche, staatstragende Kraft präsentieren könnte. Noch lässt sich nicht absehen, ob die PD-Fraktionen diesen Kurs über die nächsten Wochen geschlossen mittragen werden, insbesondere die Vorgabe einer strikten Abgrenzung vom M5S teilen nicht alle Abgeordneten.

Eine Linke, die sich in die Debatte einmischen könnte, gibt es nicht mehr. Das erst im Dezember vergangenen Jahres aus verschiedenen Linksabspaltungen des PD hervorgegangene Wahlbündnis Liberi e Uguali (Freie und Gleiche, LeU) schaffte es nur knapp über die Drei-Prozent-Hürde. LeU stellt damit nur 18 von insgesamt 945 Abgeordneten beider Kammern, 14 Parlamentarier und vier Senatoren. In beiden Kammern ist die Zahl jeweils zu gering, um Fraktionsstatus zu erreichen. Die Namen der Gewählten stehen außerdem nicht für einen Aufbruch, sie zeugen eher von vielen gescheiterten Versuchen der vergangenen zwei Jahrzehnte, ein regierungsfähiges Mitte-links-Bündnis zu begründen. 2008 verpasste die sogenannte radikale Linke erstmals den Einzug ins Parlament, zehn Jahre später ist nun auch die sozialdemokratische Linke zur politischen Bedeutungslosigkeit geschrumpft. Zumindest auf nationaler Ebene, denn bei den gleichzeitig mit den Parlamentswahlen abgehaltenen Regionalwahlen in Latium wurde das dort regierende Mitte-links-Bündnis bestätigt.

Für die aus einer Initiative des neapolitanischen Centro Sociale »Jo so’ pazzo« hervorgegangene Sammelbewegung Potere al popolo (Macht dem Volk, Pap) reichte es nur in einzelnen Stadtteilen von Neapel zu mehr als drei Prozent der Stimmen, national scheiterte die Bewegung mit 1,3 Prozent deutlich an der Sperrklausel. Trotzdem wertete Viola Carofalo, die Sprecherin der Bewegung, die Parlamentswahlen als Erfolg. Pap habe sich einem Millionenpublikum vorstellen können, nun müssten die lokalen Gruppen vor Ort praktisch überzeugen und sich über eine Internetplattform besser vernetzen. Das Vorhaben erinnert nicht zufällig an die frühe Mobilisierungsstrategie des M5S. Pap versteht sich als antirassistisch. Zum Programm gehört die »Selbstbestimmung von Frauen, Männern und Völkern«, nur will Pap die vom popolo gehegten Ressentiments gegen die EU nicht im Bündnis mit Salvini, sondern in Anlehnung an den französischen Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon bedienen, der während des Wahlkampfs in Neapel zu Besuch war. Für die im Frühjahr anstehenden Kommunalwahlen versucht Pap sich als basisdemokratische Föderation von Gruppen zu etablieren, die jeweils einen eigenen thematischen Schwerpunkt haben, wie die feministische Bewegung »Non una di meno«, die gegen Gewalt an Frauen kämpft, oder als Stadtteilinitiativen vornehmlich lokalpolitische Ziele verfolgen.