Die Biographien von Sally Kaufmann und Mordechai Tadmor

Im Kampf um Israel

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Ein Mann mit besonderen Aufgaben

Nach der Rückkehr arbeitete Tadmor zunächst ein paar Wochen im Hafen Tel Avivs. »Ich war im Hafen von Tel Aviv von September 1946 bis Oktober 1947 beschäftigt und wurde schon da in den permanenten Stab der Hagana integriert. Die Hafenleitung und der dort Zuständige für die Angelegenheiten der Hagana waren natürlich über meine Vergangenheit unterrichtet und teilten mich sofort ein, um die verschiedene Gruppen von Hafenarbeitern und Bewachungspersonal im Gebrauch von Waffen, in der Ersten Hilfe, in der Bewegung bei Nacht und so weiter zu unterrichten. Zusätzlich wurde ich eingesetzt, um von den Besatzungen der einlaufenden Frachter Waffen zu kaufen und diese an Land zu schmuggeln. Die Besatzungen wussten bereits davon. Sie brachten stets Waffen mit sich, hauptsächlich automatische Pistolen und einige Male auch Maschinenpistolen. Die waren alle noch in Einzelteile zerlegt und wir mussten sie dann zusammensetzen.«

In Deutschland war Mordechai Tadmor 1955 der erste israelische Korrespondent überhaupt. Er zeigte sich in dieser Funktion den Deutschen gegenüber erstaunlich nachsichtig. Sein Anspruch war es, möglichst objektiv über die junge Bundesrepublik zu berichten.

Hier lernte Tadmor Edith Retwitzer kennen. Edith wurde 1929 als jüngste Tochter der Familie Retwitzer aus Mannheim geboren. 1938, kurz vor der Pogromnacht, wanderten die Retwitzers gerade noch rechtzeitig aus Deutschland über Italien nach Palästina aus. Edith war in Tel Aviv in der Jugendbewegung der Hagana aktiv. Dort lernte sie Tadmor kennen; sie heirateten 1949 und sind bis heute ein Paar. Tadmor schlug währenddessen die Laufbahn eines Offiziers bei den IDF ein.

Als solcher wurde er 1954 auf eine Inspektionsreise zum israelischen Militärattaché in die Türkei geschickt. 1948 erließ David Ben-Gurion ein Edikt, dass Vertreter Israels im Ausland hebräische Namen tragen müssen. Tadmor erklärte mir seinen Nachnamen so: »Mein damaliger Chef, Oberst Harakabi, ein sehr gebildeter Mann, überlegte folgendes: Tadmor ist der Name für Palmyra und Palmyra ist eine Handelsstadt des Händlervolks der Nabatäer. Ergo: Aus Kaufmann machen wir ­einen Tadmor.« Und so flog Martin Kaufmann als Mordechai Tadmor auf seinen ersten Auslandseinsatz. Der nächste Auslandseinsatz führte ihn dann als Korrespondent der ­Jerusalem Post und für die Zeitung der Arbeiterpartei Davar zusammen mit seiner Frau Edith und ihren ersten Sohn Joav nach Deutschland.

In Deutschland war Mordechai Tadmor 1955 der erste israelische Korrespondent überhaupt. Er zeigte sich in dieser Funktion den Deutschen gegenüber erstaunlich nachsichtig. Sein Anspruch war es, möglichst objektiv über die junge Bundesrepublik zu berichten. Die unangenehmste Erfahrung, von der er ­erzählt, sei für seine Familie der kalte Winter 1955/1956 gewesen. Er lernte Franz Josef Strauß kennen, der damals mit Shimon Peres wichtige Waffenlieferungen für Israel organisierte. Auch mit Konrad Adenauer kam er in Kontakt. Adenauers Rolle in der Bundesrepublik sieht Mordechai Tadmor vor allem im Zusammenhang mit dem Luxemburger Abkommen bis heute weitgehend positiv: »Konrad Adenauer und David Ben-Gurion hatten den Mut und die ­Voraussicht, dieses schwierige Thema anzugehen und die Sache auch durchzuführen. Die Wiedergutmachung ermöglichte letztendlich den Aufbau und die Industrialisierung Israels.«

Mordechai Tadmor begleitete Adenauer auf einigen seiner politischen Termine und Wahlreisen. Davon erzählt unter anderem der Artikel »On the road with Adenauer« in der Jerusalem Post vom 15. September 1957. In diesem Artikel geht es um ein Gespräch mit Adenauer, das er auf einer Wahlkampfreise mit ihm führte. In dem Gespräch bekundet Adenauer, dass er große Hochachtung vor den Israelis habe, und bemerkte ferner, dass er ihren Mut in den jüngsten militärischen Auseinandersetzungen bewundere. Außerdem betonte er, dass er sich zur Freundschaft zu Israel bekenne. In diesem Gespräch merkte Mordechai Tadmor Adenauer gegenüber an, dass die Bewunderung des Mutes allein Israel im Kampf gegen die feindlich gesinnten Nachbarn wenig nützen würde. Dann sprach er seine Befürchtungen über die regen Waffenlieferungen der Sowjetunion an die ­arabischen Staaten an. Mordechai Tadmor schloss den Artikel mit der Bemerkung, dass es ein seltsam ­beunruhigendes Gefühl für einen Israeli sei, den deutschen Bundeskanzler bei seinen Wahlreisen so nahe gewesen sein zu dürfen.

Nicht ganz so gefährlich wie die sowjetischen Waffenlieferungen an die arabischen Staaten waren nach Meinung Mordechai Tadmors die Aktivitäten der in die arabischen Staaten ausgewanderten Nazis, vor allem Raketentechniker und in der Judenverfolgung erfahrene SS-Männer und ehemalige Gestapo-Leute. Während seiner Zeit als Korrespondent in Deutschland gehörte es zu Mordechai Tadmors Aufgaben, diese deutschen Männer und ihre Machenschaften zu beobachten. Zu diesem Zweck warb er unter dem Decknamen Dr. Martin ehemalige Wehrmachtssoldaten und Nazis an, die er dann nach Nordafrika und Ägypten schickte. Mordechai Tadmors tadelloses Deutsch, seine imposante Erscheinung, sein bis heute phänomenales Gedächtnis und die Erkenntnisse, die er aus in Nordafrika erbeuteten Tagebüchern deutscher Soldaten und einem Militärhandbuch der Wehrmacht gewonnen hatte, qualifizierten ihn für diese Arbeit. Durch eine Unachtsamkeit flog Tadmor auf; ein unzufriedener Mitarbeiter notierte sich damals das Kfz-Zeichen seines Wagens und bekam so die wahre Identität des Dr. Martin heraus. Die Deutsche Soldatenzeitung und andere Presseorgane machten die Geschichte öffentlich: »Militär-Spionage Israels aus Bonn – Nahosteinsatz der Gruppe ›Jerusalem-Post‹« titelte die Soldaten Zeitung und nannte ­seinen Klarnamen und Adresse. Tadmor und seine Familie wurde sofort nach Israel zurückbeordert. »Dies sollte mein einziger Fehler in meiner beruflichen Laufbahn bleiben«, bemerkte Tadmor zu den Räuberpistolen in den damaligen Zeitungen.

Die nächste Station war Wien, wo Mordechai Tadmor als Mordechai Elazar von 1962 bis 1966 für den diplomatischen Dienst Israels als Botschaftsrat arbeitete. Seine Aufgabe war es, Simon Wiesenthal beim ­Aufspüren von Nazis zu helfen. Es folgten weitere Einsätze für den ­diplomatischen Dienst Israels im Ausland. Zunächst von 1969 bis 1972 am Konsulat in Paris, danach führte es Tadmor wieder nach Deutschland. Zusammen mit seiner Frau Edith arbeitete er von 1978 bis 1982 für die Botschaft Israels in Bad Godesberg.