Homestory #19

Israel gehört zu den Kernkompetenzen der Jungle World. Israelische Literatur, Geschichte, Innenpolitik und vor allem die kritische Kritik der Israel-Kritik – da lässt sich die Redaktion aus der Berliner Gneisenaustraße so schnell nichts vormachen. Sollte man meinen. Wäre da nicht die Sache mit dem jüdischen Kalender. »Warum kommt das Land nie zur Ruhe?« titelte bereits am 11. April die Zeit und versah ihr Titelblatt mit den üblichen ominösen Andeutungen, mit denen deutsche Zeitungen gerne das einleiten, was sie für legitime, also garantiert nicht antisemitische Israel-Kritik halten – ­geäußert von guten Freunden, die in »historischer Verantwortung« den Juden sagen müssen, wo es lang geht. Dazu gibt es noch etwas mit Dattelpalmen und ostfriesischen Milchkühen, mit denen damals vor 70 Jahren der Staat Israel gegründet wurde.

»Aber wieso so früh?« grübelte kollektiv die Thema-Redaktion, die bereits Wochen zuvor per Wikipedia-Eilrecherche festgestellt hatte, dass der Staat Israel am 14. Mai 1948 seine Unabhängigkeit erklärt hat – nach dem weltweit meist verwendeten gregorianischen Kalender. Oder eben auch am 5. Ijjar 5708 nach dem jüdischen Kalender. Und, man hätte es eigentlich wissen müssen – in Israel gilt letzterer, weshalb der 70. Jom haAtzma’ut, wie der Unabhängigkeitstag auf Hebräisch heißt, dieses Jahr auf den 19. April fiel. Denn zu allem Überfluss sind ja die Jahre nach den verschiedenen Kalendern, die sich die Menschheit im Laufe der Jahrtausende zugelegt hat, unterschiedlich lang, vor allem, wenn es sich dabei um Mond- oder Sonnenkalender handelt. Daher fallen auch die Unterschiede zwischen jüdischem Mond- und gregorianischem Sonnenkalender recht drastisch aus. Jom haAtzma’ut findet im jährlichen Wechsel entweder im April oder Mai des gregorianischen Kalenders statt.

Nicht nur die religiösen jüdischen Festtage, sondern auch die säkularen orientieren sich in Israel am jüdischen und nicht am gregorianischen Kalender. Da auf internationaler Ebene sowie im Tourismus der gregorianische Kalender bestimmend ist, nutzen aber die Israelis beide Kalender parallel im Alltag. Weshalb den Redaktionsmitgliedern der Jungle World trotz ihrer gelegentlichen Besuche in Israel dieser Aspekt des israelischen Alltags offenbar schlicht nicht mehr erinnerlich war, ist inzwischen schwer zu rekonstruieren. Als der Fehler der Redaktion bewusst wurde, war es zu spät. Die Texte waren alle für den Jahrestag nach gregorianischen Kalender bestellt. Jetzt haben die Leserinnen und Leser den Salat. Jedenfalls erscheint die 70-Jahre-Israel-Ausgabe nun – nicht ganz stilgerecht – zum gregorianischen Jahrestag der Unabhängigkeit. Was auch nichts daran ändert, dass es vor 70 Jahren geschah. Und darum geht es schließlich.