Homestory

Homestory #20

»Der Interviewpartner hat mich Freitag am spätem Nachmittag noch angerufen«, sagt der Praktikant zum Redakteur. Der Redakteur guckt verwirrt. Es ist Freitag. Freitagmorgen. Schließlich klärt sich die Verwirrung auf: Der Praktikant meinte den Mittwochnach­mittag, der sich für ihn freilich wie ein Freitagnachmittag anfühlte, weil ein Feiertag, also ein freier Tag, folgte. »Komisch, dass Freitag sein soll und wir kurz vorm Wochenende stehen – das verwirrt mich«, pflichtet eine Kollegin bei.

»Christi Himmelfahrt« heißt der Feiertag offiziell, und wiewohl insbesondere im Osten Deutschlands viele Menschen mit seinem theologischen Gehalt wenig anzufangen wissen dürften, wird er dort besonders intensiv, man muss fast sagen: exzessiv begangen. Dazu wurde der Tag zunächst umgetauft. Über den Umweg des Vatertags wurde er zum Herrentag, dessen Wortverwandtschaft zur Herrenrasse eher nicht zufällig ist. Spätestens seit den pogromartigen Szenen von Magdeburg 1994 ist in vielen Orten nicht nur im Osten Deutschlands an diesem Tag jährlich so etwas wie Herrenrassentag. In Bielefeld forderten Neonazis vergangene Woche, den Tag in »Haverbecktag« umzubennen, um die in der ostwestfälischen Stadt im Gefängnis einsitzende Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck zu ehren.

Nazis sind bekanntlich nicht nur am Himmelfahrtstag gefährlich. In der Nacht vom 23. auf den 24. Mai 2000, gut eine Woche vor Himmelfahrt, feierten in Buch bei Berlin vier Jungnazis eine Wohnungseinweihung. Sie zogen schließlich los, um einen »Assi zu klatschen«. Der 60jährige Erwerbslose Dieter Eich, der im selben Mietshaus wohnte, bezahlte diesen Beschluss mit seinem Leben.

Am Mittwoch nächster Woche wird in Buch an den Mord erinnert. Am selben Tag wird im westdeutschen ­Solingen mit einer Veranstaltung der fünf Opfer des rechtsextremen Brandanschlags von vor 25 Jahren gedacht: Gürsün İnce, Hatice Genç, Gülüstan Öztürk, Hülya Genç und Saime Genç. Bei der Gedenkveranstaltung (www.solingen1993.info) sprechen unter anderem Mitat Özdemir von der Initiative »Keupstraße ist überall«, und der Schriftsteller Doğan Akhanlı.

Diesen Montag steht jedenfalls der letzte der drei Feiertage ins Haus, die der Monat Mai in diesem Jahr zu bieten hat. Anders als beim Himmelfahrtstag, an dem Ihre kleine, aber feine Wochenzeitung einen Tag früher als gewohnt erschien, ändert sich für Sie als Leserin oder Leser durch den Pfingstmontag nichts. Halt doch, Sie haben, falls dieser Feiertag für Sie ein freier Tag ist, einen Tag mehr Zeit, die Jungle World zu lesen. Für Sie also nur Vorteile, für uns Redakteurinnen und Redakteure immerhin das Ende all der Verwirrung über Produktionstermine und Erscheinungstage, die mit dem 1. Mai begonnen hatte.