US-Comedy-Star Amy Schumer kämpft gegen Körperklischees

Zu privilegiert fürs Empowerment

Seite 2

Renee und die Frauen, denen sie im Film begegnet, führen sehr deutlich vor, welchen Zwängen Frauen durch die Bewertung von Männern ausgesetzt sind. Frauenkörper müssen schlank, fit und schön gehalten werden, um als attraktiv und leistungsfähig anerkannt zu werden. So verwundert es nicht, dass sich die Diät- und Schönheitsindustrie vor allem an Frauen als Konsumentinnen richtet. Ebenso wenig überraschend ist die Tatsache, dass der Frauenanteil unter Betroffenen von Essstörungen sehr hoch liegt. Der Film zeigte aber auch, dass Frauen diese Zumutungen nicht grundlegend genug hinterfragen und sich zu deren Überwindung auch nicht solidarisch zusammenfinden.

Stattdessen führen gerade die Kritikerinnen des Films vor, wie Frauen unsolidarisch miteinander umgehen. So erhebt man lieber den Zeigefinger und wirft all denen, von denen man glaubt, sie seien bessergestellt, Privilegien vor. Gerade zu dieser Frage bietet Schumers Film eine Schlüsselszene: Nach den durch den zweiten Schlag auf den Kopf beendeten Illusionen über ihr modelhaftes Aussehen, besucht Renee erneut das Fitnesstudio. Dort trifft sie im Umkleidebereich auf das Model Mallory, die aus Liebeskummer weint. Renee spricht sie an und erfährt, dass Mallory von einem Mann abgewiesen wurde. Renee fällt es schwer zu begreifen, dass Zurückweisungen auch Frauen erleben, die anscheinend mühelos das Schönheitsideal erfüllen. Im weiteren Gesprächsverlauf offenbart die an Liebeskummer Leidende, dass sie letztlich mit einem ähnlich mangelhaften Selbstwertgefühl zu kämpfen hat, was Renee jedoch nicht anerkennen will.

Interessanterweise zeigen alle von Renee idealisierten Frauen, denen sie im Verlauf des Films näherkommt, solche Schwächen und Unsicherheiten.

Die Kritikerinnen, die anstelle von Schumer lieber eine stark übergewichtige Frau – oder vielleicht sogar sich selbst – in der Rolle der Renee gesehen hätten, sehnen sich offenbar nach maximaler Identifikation mit der Hauptfigur eines Films. Jedoch verhalten sie sich damit nicht anders als Renee, wenn sie ihren Idolen abspricht, genau wie sie selbst tiefgreifende Gefühle von Unzulänglichkeit und Verunsicherung zu erleben.

Anstatt zu erkennen, dass keine Frau von den Zumutungen der männer­dominierten Gesellschaft unberührt bleiben kann, wird mit dem Schlagwort Privilegien darum gestritten, wessen Existenz erbärmlicher ist.
Empowerment im Sinne des Erlebens von Handlungs- und Veränderungsfähigkeit lässt sich im neidvollen Wettkampf um die maximal benachteiligte soziale Stellung nur schwer erfahren. Vielmehr reibt man sich in Kämpfen auf, die erheblich schwächen. Dabei wäre aber die Entwicklung von Solidarität von Frauen untereinander notwendig, um es mit den tiefgreifenden Schäden aufzunehmen, die die patriarchale Gesellschaft ihnen praktisch von Geburt an zufügt. An dieser Stelle lässt sich durchaus Kritik am Film üben, da der Bruch der Protagonistin mit den Zumutungen nicht weit genug geht. So darf Renee zum Schluss bei der Präsentation der neuen Produktlinie ihrer Firma zwar ihre Erkenntnis über den Wert der Selbstliebe verkünden, jedoch nicht ohne anschließend werbewirksam auf die neuen Kosmetika hinzuweisen. Allerdings spiegelt der Film auch hier in letzter Konsequenz lediglich realistisch die andere große Zumutung, der Indi­viduen sozial und individuell unterworfen sind: die kapitalistische Verwertungslogik. Und dagegen kann man sich nicht einfach empowern.