US-Comedy-Star Amy Schumer kämpft gegen Körperklischees

Zu privilegiert fürs Empowerment

Seit kurzem ist der US-amerikanische Comedystar Amy Schumer in der Hauptrolle des Films »I Feel Pretty« in deutschen Kinos zu sehen. Der Film wurde schon vor seiner Premiere wegen seines Verständnisses von Empowerment harsch kritisiert.

Es ist kein body shaming. Die Geschichte ist nicht, dass ich diese hässliche Frau spiele, die ihr Selbstvertrauen in ihrem Inneren findet, sondern die einer Frau, die wenig Selbstbewusstsein hat und damit zu kämpfen hat, und das ist etwas, das wir alle verstehen können.« Mit diesen Worten reagierte die US-amerikanische Komikerin Amy Schumer auf die Kritik an dem Film »I Feel Pretty«, in dem sie die Hauptrolle spielt. Der Großteil der Rezensionen hielt ihre Darstellung einer korpulenten Frau und die damit verbundenen Fragen zum Empowerment für problematisch.

In »I Feel Pretty« mimt Schumer die New Yorkerin Renee, die unter ihrem Aussehen leidet. Sie findet sich unattraktiv, weil zu dick. Beruflich dümpelt sie in einer kleinen Bürozweigstelle eines großen Kosmetikkonzerns vor sich hin. Verzweifelt wünscht sie sich, so attraktiv und erfolgreich zu sein wie die Models, die als Werbeträgerinnen für die Kosmetikprodukte ihrer Firma arbeiten. Ein Besuch in einem Sportstudio bringt die Wende: Renee stürzt von einem Fitnessgerät und schlägt hart mit dem Kopf auf. Als sie aus ihrer Ohnmacht erwacht, sieht sie sich selbst plötzlich als atemberaubend schön. Mit diesem neuen, entgrenzten Selbstbewusstsein ausgestattet, gelingt ihr fortan alles: Sie lernt einen Mann kennen und erregt die Aufmerksamkeit ihrer Chefin, was ihrer Karriere dienlich ist. Allerdings wird sie im Verlauf des Films auch immer arroganter, womit sie ihre besten Freundinnen vergrault und am Ende auch ihren Verehrer irritiert. Ein weiterer Unfall mit Schlag auf den Kopf beendet diesen Höhenflug abrupt und Renee muss lernen, dass sie nicht ernsthaft ein völlig anderes Äußeres hatte, sondern ihr neues Selbstbild den Unterschied machte. In der Manier von Hollywoodfilmen verkündet sie ihre Selbsterkenntnis auf der großen Bühne anlässlich ­eines Firmen­events, bevor es dann zum romantischen Happy End mit Kuss kommt.

Inzwischen ist Empowerment eher zu einer Strategie geworden, es sich im Elend wenigstens gemütlichzu machen.

Der Film verbindet klassische Empowerment-Botschaften á la »Liebe dich selbst« mit einer romantischen und witzigen Handlung. Der Plot folgt dabei der Erzählung vom hässlichen Entlein, das zum schönen Schwan wird. Daran entzünden sich die vielen Verrisse, deren Grund­tenor darin besteht, Schumer dafür zu kritisieren, dass sie privilegiert, weil weiß, blond, schlank und nicht behindert sei – also das »hässliche Entlein« aus Sicht der Kritikerinnen nicht glaubwürdig verkörpern könne. Die New York Post nannte Schumer eine »Möchtegern-Feministin«, der Rolling Stone attestierte dem Film, fat shaming zu betreiben und die Los Angeles Times fragte, ob es nicht progressiver gewesen wäre, die Rolle der Renee mit einer schwarzen Frau zu besetzen.

Der Moderator Bill Maher spottete daraufhin in seiner Talkshow treffend, dass Rezensionen heute nur noch aus dem Vorwurf bestehen würden, dass der entsprechende Film nicht den Vorstellungen und Wünschen der Rezensenten entspricht, und auf die Frage hinausliefen, warum die Filmemacher nicht exakt den Film drehten, den die Kritikerinnen gemacht hätten.

Die Diskussion offenbart Einblicke in ein fragwürdiges Verständnis von Empowerment, wie es heute vielerorts vor allem an Frauen gerichtet anzutreffen ist und beispielsweise auch im Queerfeminismus propagiert wird.

Empowerment bedeutet dort oft nicht mehr, als dass alles automatisch als »empowernd« gilt, was Frauen tun oder tun wollen und womit sie sich individuell wohlfühlen. Empowerment als Konzept stammt jedoch aus der Sozialen Arbeit und hat das Ziel, die Arbeit mit Angehörigen sozial benachteiligter Gruppen nicht defizit-, sondern ressourcenorientiert zu gestalten. Individuen sollen sich selbst im positiven Sinne als handlungsfähig erfahren können und ­damit auch die Möglichkeit erhalten, ihre Situation zu verändern.

Inzwischen ist Empowerment eher zu einer Strategie geworden, es sich im Elend wenigstens gemütlich zu machen. Gerade bei Frauen werden Dinge als Empowerment verklärt, die entweder nebensächlich bis banal sind, oder die zum Teil ihren Ursprung darin haben, wie der weibliche Körper durch das Patriarchiat zugerichtet wird – beispielsweise bei der Prostitution, die im empowernden Duktus nun Sexarbeit heißt. Aber auch das alltägliche Schminken oder das Tragen aufreizender Kleidung wird zu einem befreienden Akt stilisiert, genauso, wie es in einigen Kreisen als per se befreiend gilt, mollig zu sein und nicht den angeblichen Schönheitsnormen zu entsprechen, selbst wenn dies gesundheitliche Probleme nach sich ziehen könnte. Es geht nicht mehr darum, Verhalten und Verhältnisse einer gesellschaftstheoretisch fundierten Analyse zu unterziehen, nicht zu fragen, warum wer sich wie verhält, um damit möglicherweise wirkende Zwänge zu verändern. Längst geht es den Protagonisten des Empowerments darum, sich in den Verhältnissen einzurichten und sich in ihnen wohlzufühlen.

 

Renee und die Frauen, denen sie im Film begegnet, führen sehr deutlich vor, welchen Zwängen Frauen durch die Bewertung von Männern ausgesetzt sind. Frauenkörper müssen schlank, fit und schön gehalten werden, um als attraktiv und leistungsfähig anerkannt zu werden. So verwundert es nicht, dass sich die Diät- und Schönheitsindustrie vor allem an Frauen als Konsumentinnen richtet. Ebenso wenig überraschend ist die Tatsache, dass der Frauenanteil unter Betroffenen von Essstörungen sehr hoch liegt. Der Film zeigte aber auch, dass Frauen diese Zumutungen nicht grundlegend genug hinterfragen und sich zu deren Überwindung auch nicht solidarisch zusammenfinden.

Stattdessen führen gerade die Kritikerinnen des Films vor, wie Frauen unsolidarisch miteinander umgehen. So erhebt man lieber den Zeigefinger und wirft all denen, von denen man glaubt, sie seien bessergestellt, Privilegien vor. Gerade zu dieser Frage bietet Schumers Film eine Schlüsselszene: Nach den durch den zweiten Schlag auf den Kopf beendeten Illusionen über ihr modelhaftes Aussehen, besucht Renee erneut das Fitnesstudio. Dort trifft sie im Umkleidebereich auf das Model Mallory, die aus Liebeskummer weint. Renee spricht sie an und erfährt, dass Mallory von einem Mann abgewiesen wurde. Renee fällt es schwer zu begreifen, dass Zurückweisungen auch Frauen erleben, die anscheinend mühelos das Schönheitsideal erfüllen. Im weiteren Gesprächsverlauf offenbart die an Liebeskummer Leidende, dass sie letztlich mit einem ähnlich mangelhaften Selbstwertgefühl zu kämpfen hat, was Renee jedoch nicht anerkennen will.

Interessanterweise zeigen alle von Renee idealisierten Frauen, denen sie im Verlauf des Films näherkommt, solche Schwächen und Unsicherheiten.

Die Kritikerinnen, die anstelle von Schumer lieber eine stark übergewichtige Frau – oder vielleicht sogar sich selbst – in der Rolle der Renee gesehen hätten, sehnen sich offenbar nach maximaler Identifikation mit der Hauptfigur eines Films. Jedoch verhalten sie sich damit nicht anders als Renee, wenn sie ihren Idolen abspricht, genau wie sie selbst tiefgreifende Gefühle von Unzulänglichkeit und Verunsicherung zu erleben.

Anstatt zu erkennen, dass keine Frau von den Zumutungen der männer­dominierten Gesellschaft unberührt bleiben kann, wird mit dem Schlagwort Privilegien darum gestritten, wessen Existenz erbärmlicher ist.
Empowerment im Sinne des Erlebens von Handlungs- und Veränderungsfähigkeit lässt sich im neidvollen Wettkampf um die maximal benachteiligte soziale Stellung nur schwer erfahren. Vielmehr reibt man sich in Kämpfen auf, die erheblich schwächen. Dabei wäre aber die Entwicklung von Solidarität von Frauen untereinander notwendig, um es mit den tiefgreifenden Schäden aufzunehmen, die die patriarchale Gesellschaft ihnen praktisch von Geburt an zufügt. An dieser Stelle lässt sich durchaus Kritik am Film üben, da der Bruch der Protagonistin mit den Zumutungen nicht weit genug geht. So darf Renee zum Schluss bei der Präsentation der neuen Produktlinie ihrer Firma zwar ihre Erkenntnis über den Wert der Selbstliebe verkünden, jedoch nicht ohne anschließend werbewirksam auf die neuen Kosmetika hinzuweisen. Allerdings spiegelt der Film auch hier in letzter Konsequenz lediglich realistisch die andere große Zumutung, der Indi­viduen sozial und individuell unterworfen sind: die kapitalistische Verwertungslogik. Und dagegen kann man sich nicht einfach empowern.