Unkontrolliertes Wirtschaftswachstum führt in Bangladesh zu verheerenden Umwaltschäden

Bunte Flüsse, giftiges Wasser

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Reportage Von

Offenbar wurde jedoch nicht tief genug ­gebohrt, denn das chemische Element Arsen ist in den oberen Gesteinsschichten vorhanden und das von dort an die Oberfläche gepumpte Wasser daher verseucht. Das Problem wurde erst in den neunziger Jahren erkannt und konnte seither noch nicht gelöst werden.

»Auch als die Weltbank in den sechziger Jahren begann, Projekte zur Landgewinnung zu fördern, war es gut gemeint. Aber spätestens seit den Acht­zigern wissen wir, dass diese Art der Landgewinnung die Bodennässe und Überschwemmungen fördert, da das Regenwasser nach dem Monsun nicht ablaufen kann. Trotzdem wurden diese Projekte weitergeführt und wir dürfen bis heute die Kredite zurückzahlen«, kritisiert Mehedi. »Der IWF und unsere Regierung haben gemeinsam, dass sie keinen nachhaltigen Plan haben, um unsere zahlreichen Probleme zu lösen. Ihr Heilmittel, Steigerung des Wirtschaftswachstums durch Massenproduktion für den Export, vergrößert ­unsere Probleme nachweislich.«

 

Wettbewerb der Korrupten

40 Kilometer westlich von Khulna ist eine weitere dieser kurzfristig gedachten Unternehmungen zu bestaunen. Inmitten der Schutzzone der Mangrovenwälder der Sunderbans wird mit ­indischen Investitionen ein Kohlekraftwerk mit 1 320 Megawatt Leistung gebaut. Dazu sind Unternehmungsansiedlungen und ein Tiefseehafen in der Schutzzone geplant.

Etwa 300 000 Menschen leben in und von den Mangrovenwäldern, die Bangladeshs letzter natürlicher Schutzwall vor dem Eindringen des Salzwassers ins Landesinnere sind, sollte der Meeresspiegel wie vorausgesagt weiter ansteigen. Die Unesco hat die Regierung Bangladeshs mit Hinweis auf die langfristigen Schäden aufgefordert, den Bau zu stoppen.
»Premierministerin Hasina Wajed hat anfangs Gutes gewollt und verstärkt in die Infrastruktur investiert. Doch sie ist zu sehr damit beschäftigt, ihre Macht zu erhalten«, sagt der Journalist Gouranga Nandy. Der Organisation Transparency International zufolge belegt Bangladesh im Korruptionswahrnehmungsindex derzeit Platz 143 von 180; je höher ein Land platziert ist, als desto weniger korrupt gilt es. »Das deutet an, was mit dem Geld passiert, das eigentlich investiert werden müsste, um Bangladesh auf ein Leben ohne Billigindustrien vorzubereiten«, so Nandy.

Seit knapp 30 Jahren bestimmen zwei Frauen die Politik des Landes. Ob Hasina Wajed mit ihrer Awami-Liga regiert oder Khaleda Zia mit ihrer Bangladesh Na­tionalist Party, ist jedoch fast nebensächlich. Die jeweilige Premierministerin beschuldigte stets die andere, eine Terroristin zu sein, und ließ deren Parteimitglieder verhaften. Diejenige in der Opposition schimpfte die andere eine Diktatorin und legte das Land mit Streiks lahm. Alle paar Jahre wurden die Rollen getauscht – 2007 übernahm die Armee für kurze Zeit. Seit 2009 ist Wajed Premierministerin. Ihre Widersacherin wurde im Februar in einem fragwürdigen Prozess wegen Unterschlagung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, aber Ruhe wird Wajed deswegen nicht haben. Für Dezember sind Parlamentswahlen angesetzt, landesweite Streiks der Opposition sind zu erwarten.

Derweil geht die schleichende Radikalisierung des an sich tolerant ausgelegten Islam im Land weiter. Allein drei Millionen Bangladeshis leben als Arbeitsmigranten in Saudi-Arabien. Viele eröffnen nach ihrer Rückkehr Moscheen, in denen sie den in Saudi-Arabien vorherrschenden, rigiden wahhabitischen Islam verbreiten. Die Angriffe auf Liberale, Hindus und Atheisten, die bis zum Mord gehen, nehmen seit Jahren zu. Die Regierung reagiert darauf einerseits mit Massenverhaftungen von vermeintlichen Islamisten, die jedoch auch dazu benutzt werden, ­politische Widersacher zu beseitigen. Andererseits gibt es Anklagen und ­Verhaftungen von Menschenrechtlern und Journalisten, die angeblich den ­Islam oder den Staat verunglimpfen. So wurde vergangenes Jahr etwa der in Khulna ansässige Journalist Abdul ­Latif Moral verhaftet, weil er auf Facebook gepostet hatte, dass eine Ziege, die vom Fischereiminister Narayan Chandra Chanda an notleidende Bauern gespendet worden war, ein paar Stunden nach der Übergabe gestorben sei.

 

Flüssige Versprechen

Das Verhältnis zum großen Nachbarn Indien gestaltet sich schwierig. Auf der einen Seite beschwert sich die Regierung zu Recht, dass Indien während der Regenzeit die Schleusen seiner Staudämme öffnet, so dass noch mehr Wasser nach Bangladesh fließt und die Felder zum Teil für Monate überschwemmt. Wenn die bengalischen Bauern dann in der Trockenzeit das Wasser dringend benötigen, schließt Indien die Schleusen. Dadurch drückt Meerwasser in die Flüsse und fördert die Versalzung. ­Anderseits buhlt die Regierung um indische Investitionen und bietet ihr Land als Durchgangsstrecke für die indischen Expansionspläne gen Osten an.

Indien passt sich dem an. Der indische Premierminister Narendra Modi preist zwar die Regierung Hasina Wajeds als wichtigen Partner, dennoch will er den Bau eines Zaunes an der 4 156 Kilometer langen Grenze zu Bangladesh forcieren, um den Kuhschmuggel und die illegale Immigration zu unterbinden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Bangladesh wegen des steigenden Meeresspiegels bis zu 20 Prozent seiner Landfläche verlieren könnte. Dies könnte große Fluchtbewegungen auslösen, gegen die sich Indien offenbar abschotten will.

Dabei könnte Modi zur Lösung des Problems beitragen, wenn er sein Versprechen halten würde, den Ganges zu reinigen. Dieser fließt in das größte Flussdelta der Erde, dessen Einzugs­gebiet sich auch auf Bangladesh erstreckt. Würde man das Ganges-Brahmaputra-Delta reinigen, wäre Bangladesh nicht nur in der Lage, Dhaka mit Trinkwasser zu versorgen, sondern auch, seine Bevölkerung mit Hilfe nachhaltiger Landwirtschaft selbst zu ernähren. Doch eine Untersuchung der indischen Kontrollbehörde Comptroller and Auditor General of India (CAG) von Ende Dezember 2017 kam zu dem Schluss, dass die Regierung zwischen April 2015 und März 2017 nur rund ein Viertel der versprochenen Summe für das Flussreinigungsprogramm National Mission for Clean Ganga (NMCG) aufgewendet hat. Die Wasserqualität in acht von zehn untersuchten Städten am Ganges-Ufer unterschreite die Standards für das Baden im Fluss. Vorgesehen war, dass der Ganges bis 2018 gereinigt werde, nun wurde als Ziel das kommende Jahr ausgegeben.

Der CAG zufolge weist der Ganges an vielen Stellen eine stärkere Verschmutzung auf als zum Zeitpunkt von Modis ­Versprechen im Jahr 2014. Auch in Indien werden immer noch Abwässer von zahlreichen Fabriken und Färbereien ungefiltert in den Fluss geleitet. Das unkontrollierte Wirtschaftswachstum hat Vorrang.