Stephen Malkmus and the Jicks auf Zeitreise

Der Aristokrat des Indierock

Stephen Malkmus and the Jicks erinnern sich glamourös an vergangene Musikdekaden.

Wie funkelt man eigentlich hart? Stephen Malkmus kann das. Und um zu lernen, wie man hart funkelt, dazu hatte er als (nicht ganz so heimlicher) Erfinder des Indierock mehr als genug Zeit. Denn seine Band ­Pavement, Anfang der Neunziger ­gegründet, vollbrachte dieses Kunststück: Sie verband den rohen Sound der Noise-Rock-Bands der Achtziger mit der schillernden Loserattitüde eines Daniel Johnston. Heraus kamen sechs Alben, der Ruf als beste Band der neunziger Jahre und eine Musik, die seltsam eigen klingt, obwohl sie von so vielen Referenzen auf Punk und Post-Punk lebt.

Pavement gibt es schon seit 1999 nicht mehr. Malkmus gründete daraufhin The Jicks, mit denen er seit 2001 Alben veröffentlicht. Ein »Jick« ist eine stinkende, blöde und ­un­attraktive Person; versammeln sich solche Leute aber zu einer ­Gruppe, wird aus ihnen »The Jicks«, was von der Aussprache her fatal an »The Chicks« erinnert, an das Wort, mit dem laut Urban Dictionary ­entweder besonders schöne Frauen, Frauen im allgemeinem oder Frauen in einer abwertenden Manier adressiert werden. Zufall? Nein. Dieser Wortwitz führt exemplarisch vor, wie Indierock funktioniert: Positive ­Attribute werden negativ besetzt und vice versa, und das so lange, bis ­niemand mehr weiß: Ist das Ironie, Melancholie oder Sarkasmus?

Zurück zum harten Funkeln: So heißt nämlich das neue Album von The Jicks, »Sparkle Hard«. Man sagt ja, dass sich Trends eines Jahrzehnts immer nach einer Pause von zehn Jahren wiederholen. Die Siebziger erlebten ihre Renaissance in den Neunzigern, und folglich erleben wir zurzeit ein Revival der Neunziger. Wenn man dem folgt, haben Stephen Malkmus and the Jicks den Glam der Siebziger und die spartanische Dissonanz der Neunziger mitgeschleppt. Zu hören ist das in der ersten Nummer »Cast Off«, die mit zartem Klaviergeklimper und säuselndem Gesang beginnt und dann abrupt ­abbricht, um sich in eine laute Rock­oper zu verwandeln.

Wenn Malkmus sich zu einer Aussage über das Zeitgeschehen hinreißen lässt, dann kommt diese mit allerlei Sarkasmen daher. Er lebt in Portland, der glückseligen Hipsterstadt der USA, und weiß vielleicht gerade deswegen, wie brüchig der Frieden ist. Im Song »Bike Lane« wird das deutlich: Mit herzzerreißender Stimme singt er von »Another beautiful bike lane«, also dem neuen Fahrradweg, um dann in der Strophe auf den schwarzen Freddie Gray zu kommen, der 2015 im Polizeigewahrsam ins Koma fiel und bald darauf starb. Gray verlor in einem Polizeiauto sein Bewusstsein. Wäre es ihm besser ergangen, wenn er auf dem Fahrrad unterwegs gewesen wäre?

In einem zehnminütigen Clip, der zur Veröffentlichung des neuen ­­Albums erschienen ist und den vollmundigen Titel »Sparkle Hard: The Movie« trägt, wird der Anführer als Mischung aus Naturbursche und modernem Dandy inszeniert. Glaubt man dem, was man im Video sieht, spielt Malkmus den halben Tag Tennis und vertreibt sich den Rest der Zeit damit zu reiten. Zwischendurch setzt er sich an seine akustische ­Gitarre und zupft an den Saiten. In einer Szene steht er auf einem kleinen Türmchen, das vermutlich an sein Haus angebaut worden ist. Wie ein Wachturm sieht er aus, von hier aus schaut Malkmus ernst drein­blickend über die Nachbarschaft.

Eigentlich ist er ein Countryboy, seine Stimme, seine ungeschnittenen ­Haare, seine geliebten Holzfällerhemden weisen darauf hin. Doch er hat auch etwas Aristokratisches, geradezu Adliges an sich, eine Eleganz, die sich ausdrücken will. Wieder zwiegespalten und doch zusammengebracht: das Suburbane der Neunziger mit der Dekadenz der Siebziger.

»Sparkle Hard« ist das beste Album seit Jahren, wenn nicht das beste der Band. Dass das laufende Jahrzehnt, in dem laut den Popgesetzen die Reminiszenz an die Neunziger ­geboten ist, sich seinem Ende zuneigt, spielt Malkmus und seinen Jicks in die Hände. Noch mal richtig auftrumpfen, alles durchexerzieren: Die Platte hat Tempo. Mit Freunden ­erinnert es sich besser, und so singt auf dem Song »Refute« die frühere Sängerin von Sonic Youth, Kim Gordon, einen Part; das steht ihr deutlich besser zu Gesicht als der überkandidelte Art Rock, den sie derzeit unter dem Namen Body / Head macht und der, ganz anders als die Musik von Malkmus, lediglich ein Aufguss von und kein Schulterschluss mit vergangener Musik ist.

 

Stephen Malkmus and the Jicks: Sparkle Hard (Domino Records)