Das Thema Verschlüsselung wird in der Datenschutzdebatte zu wenig thematisiert

Cryptowars, Cypherpunks und ein Fehlalarm

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Hierzulande erlaubt der sogenannte Bayern-Trojaner den bayerischen Behörden, Schadsoftware auf den Rechnern von Verdächtigen zu installieren, um diese zu überwachen. Immer wieder kommt es zum Beispiel im Zusammenhang mit Demonstrationen zu Zwischenfällen, bei denen die Polizei Smartphones konfisziert und die Inhaber auffordert, sie zu entsperren, um den Inhalt des Telefons prüfen zu können. Das geht eigentlich nur mittels richterlicher Anordnung, aber die Polizei tut es trotzdem. Das Ende Mai verabschiedete neue bayerische Polizeiaufgabengesetz (Jungle World 21/2018) wird dieses Vorgehehen künftig legalisieren.

Für Ermittlungsbehörden ist es lästig, wenn Menschen in größerem Umfang ihre Geräte und Kommunikation verschlüsseln. Deshalb fordern Politiker einen digitalen Dietrich. Zuletzt ist Ende 2017 ein entsprechender Entwurf des Innenministeriums bekannt geworden, der dann aber ausgerechnet auf Twitter dementiert wurde. Apple wehrt sich in den USA regelmäßig gegen Forderungen von FBI und CIA nach Hintertüren und in Moskau stehen die Entwickler des Messenger-Dienstes Telegram vor Gericht, weil sie den russischen Behörden keinen Einblick in die Kommunikation ihrer Nutzer geben möchten.

Das sind nur die neusten Episoden einer langen Geschichte, die unter dem Namen Cryptowars bekannt wurde. Diese Kryptographie-Kriege begannen, als Banken und Konzerne in den sechziger Jahren anfingen, ihre Daten zu verschlüsseln. Damals wollte die US-Regierung noch verhindern, dass die Verschlüsselungssoftware ins Ausland gelangt, und erlegte der Software-Industrie Exportbeschränkungen auf. Das führte unter anderem dazu, dass der Netscape-Browser aus den frühen Zeiten des WWW außerhalb der USA nur mit künstlich geschwächter, leicht umgehbarer Verschlüsselung ausgeliefert werden durfte.

Mit wachsender Verbreitung von internetfähigen PCs entstand unter Hackern eine Subkultur innerhalb der Subkultur. Die Cypherpunks setzen sich für freie Verschlüsselungssoftware ein, entwickeln diese weiter, erklären und verbreiten sie auf Kryptopartys und engagieren sich als Graswurzelbewegung gegen die Überwachung durch Staaten und Konzerne. Politisch schwanken die Sympathien der Bewegung zwischen anarchistischen und rechtslibertären Gruppen, deren Anhängerschaft und Programmatik sich überschneiden. Bekannte Vertreter sind John Gilmore, der die Electronic Frontier Foundation gegründet hat, und Julian Assange, der Gründer und Leiter der Whistleblower-Platform Wikileaks berühmt wurde. Ebenfalls aus dem Milieu der Cypherpunks stammt auch der Versuch, eine staatlich nicht kontrollierte Währung auf der Basis von Verschlüsselungstechnik zu etablieren: die Kryptowährung Bitcoin.

Verschlüsselung alleine reicht allerdings nicht aus, um die Kommunikation zu schützen. Der Inhalt von Nachrichten ist für Ermittlungsbehörden oftmals nicht so interessant wie die zugehörigen Metadaten: wann wo eine Nachricht von wem an wen verschickt wurde. Diese Daten lassen sich nicht verschlüsseln und entstehen zwangsläufig, anders kann digitale Kommunikation nicht funktionieren. Für den Schutz der Metadaten gibt es keine technische Lösung, aber eine rechtlich-politische: Datenschutzgesetze. Bei denen erlaubt sich der Staat aber zahlreiche Ausnahmen für die eigenen Zwecke.