Antimilitarismus statt Kriegsdienst

Die Waffen nieder!

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»Viele Linke wissen heute nicht mehr, dass die Forderung nach einer allgemeinen Wehrpflicht beziehungsweise einer ›Volks­bewaffnung‹ im 19. und 20. Jahrhundert eine linke Kernposition war«, schreibt Rackwitz. Sie fordert, dass die Linke ihre ablehnende Haltung gegen die Bundeswehr über­denken soll. Die »alte Forderung nach einer ›Volks­bewaffnung‹« solle »aufgegriffen« werden und ihr durch die »Forderung nach Wiedereinführung der Wehrpflicht Nachdruck« verliehen werden. Dies sei auch »im Hinblick auf eine Stärkung der militärischen Kompetenz der Linken« sinnvoll.

Dass Kriegsdienstpflichtige in der Bundeswehr militärische Kompetenz und analytische Fähigkeiten zur Lösung bewaffneter Konflikte erwerben können, darf getrost bezweifelt werden. Die Studien der Friedensforschungsinstitute belegen hinlänglich, dass es gerade der nicht bewaffnete Widerstand aus der Bevölkerung ist, der zu langfristigen friedlichen Lösungen von kriegerischen Konflikten führen kann.

Zu wünschen wäre statt der Vorschläge von Rackwitz eine Stärkung der antimilitaristischen Kompetenz und die Unterstützung für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aller Kriegsparteien. Offensichtlich haben militaristisch denkende Menschen noch nichts aus der Geschichte gelernt. Sie wissen zum Beispiel nicht, dass den deutschen Offizieren zu Beginn des Ersten Weltkriegs vom Geheimdienst sogenannte Anarchistenlisten übergeben wurden, damit sie die zum militärischen Zwangsdienst herangezogenen linksradikalen Soldaten als Kanonenfutter in die ersten Reihen schicken konnten.

Für Kurt Tucholsky und andere Antimilitarist­innen und Antimilitaristen war die Dominanz des Militärischen eine Ursache für den deutschen Untertanengeist, der emanzipatorische Entwicklungen behinderte. Nach Ende des Ersten ­Weltkriegs machten Antimilitaristinnen und Antimilitaristen den preußischen Militarismus auch für die katastrophalen Zustände an der Front verantwortlich.

Tucholsky schrieb: »Worauf es uns ankommt, ist dies: den Deutschen, ­unsern Landsleuten, den Knechtsgeist auszutreiben.«
Selbstverständlich gab es in der Geschichte der etatistischen Linken ­unzählige Militaristen. Auch das liegt in der Natur der Sache. Wer keine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, sondern die Diktatur einer Partei anstrebt, braucht den Militarismus, um seine Ziele durchzusetzen. Ähnlich wie heute Rackwitz empfahlen in den 1970ern die K-Gruppen ihren Jüngern, zum olivgrünen Bund zu gehen, um sich fit zu machen für den bevorstehenden »Klassenkampf mit der Waffe«.

Heute sollte klar sein, dass der Marsch durch die militärischen Institutionen auch aus Linken Befehlsempfänger, aber keine Revolutionäre macht. Zur Revolution haben die Aufrufe der K-Gruppen nicht geführt, und dazu wird auch Lena Rackwitz’ Aufruf nicht führen. Ihr Revolutionsverständnis ist nicht ­emanzipatorisch, sondern eine ­grau­same ­Gewaltphantasie vom bewaffneten Aufstand. Dieser steht hier­zulande nicht auf dem Programm. Und das ist gut so.

Man sollte lieber Sand in den Tank des Militarismus streuen, alle Soldatinnen und Soldaten zur Desertion auf­rufen, Gelöbnixe organisieren, ein Ende aller Waffenexporte sowie die Abschaffung aller Armeen fordern und es ansonsten mit Albert Einstein halten. Der wusste bereits vor 80 Jahren: »Heldentum auf Kommando, sinnlose ­Gewalttat und die leidige Vaterländerei – wie glühend hasse ich sie, wie gemein und verächtlich erscheint mir der Krieg; ich möchte mich lieber in Stücke ­schlagen lassen, als mich an einem so elenden Tun beteiligen!«


Statt »Zu den Waffen, Genossen« ist heute Bertha von Suttners Ruf aktueller denn je: »Die Waffen nieder!«

 

Der ist Autor ist Redakteur der Zeitschrift Graswurzelrevolution