In Kolumbien gewinnt der rechte Kandidat Iván Duque die Präsidentschaftswahlen

Uribes Wiedergänger

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Im Senat stellt der CD, der  mit der Konservativen Partei als Partner bei den Präsidentschaftswahlen antrat, die größte Fraktion. Für stabile Mehrheiten ist er aber auf Bündnisse mit jenen Parteien angewiesen, die in der ersten Runde teils eigene Kandidaten aufgestellt hatten. Ob die traditionellen Parteien weiterhin zusammenhalten, wird sich nicht zuletzt bei der Umsetzung der Friedensvereinbarungen zeigen. Sei sie früher bezüglich der Friedenspolitik der Regierung Santos noch zerstritten gewesen, habe die »dominierende Klasse« im Wahlkampf einen seltenen Moment des politischen Zusammenhalts gezeigt, sagte der US-Politikwissenschaftler Nazih Richani der Jungle World. »Der Grund dafür ist, dass sie Petro als eine Bedrohung für das dominante neoliberale Wirtschaftsmodell wahrnehmen, auf dem ihr Klasseninteresse und ihre ­politischen und beruflichen Karrieren beruhen.«

Andere Beobachter betonen, dass mit dem Einzug Duques in den Präsidentenpalast die Machtakkumulation des »Uribismo«, jener Fraktion der Oligarchie hinter der Führungsfigur Uribe, weiter zunehmen werde. Diese habe starke personelle Verbindungen in die Judikative, stelle die Mehrheit im Kongress und besetze nun auch noch die Exekutive. Die Anhäufung politischer Macht gehe einher mit der wirtschaftlicher Macht, was insbesondere das auf Extraktivismus aufbauende Wirtschaftsmodell mit sich bringe, schreibt der in Kolumbien lehrende deutsche Wirtschaftswissenschaftler Tobias Franz. Kolumbien könne auf diesem Weg weiter in eine Abwärtsspirale aus einem flexiblen Arbeitsmarkt mit niedrigen Einkommen, niedriger Investitionsrate und geringer Produktivität der eigenen Wirtschaft geraten. Petro, programmatisch eher ein grüner Sozialdemokrat als ein Chavist, der den Großteil der politischen Linken sowie Gewerkschaften, Basisbewegungen und Indigene hinter sich wusste, hatte eben jenes Akkumulationsregime aus liberaler Wirtschaftspolitik und der Ausbeutung von Bodenschätzen in Frage gestellt und stattdessen mehr staat­liche Sozialausgaben und eine Diversifizierung der Wirtschaft angestrebt.

Dass mehr als zehn Millionen Menschen letztlich für Duque stimmten, ist aber nicht nur das Resultat von Klasseninteressen, sondern auch Ausdruck der Skepsis, die es in der konservativen Bevölkerung gegenüber der Linken trotz des Friedensprozesses nach Jahrzehnten der Guerillagewalt immer noch gibt. Zwar trug zum Sieg des Uribismo auch bei, dass dieser sich gegen die Farc und das Friedensabkommen positionierte, doch scheinen andere Themen wie Gesundheits- oder Bildungspolitik, die in der Vergangenheit wegen des bewaffneten Konflikts oft weniger Beachtung fanden, immer stärker in den Vordergrund zu drängen. Deshalb werteten Petro und viele Linke die acht Millionen erlangten Stimmen dennoch als Erfolg – noch nie hatte ein linker Kandidat so viele Stimmen erhalten. Von einer Nieder­lage wollte Petro, der den Sieg Duques anerkannte, dann auch nichts wissen und schwor seine Anhänger bereits auf die Oppositionsarbeit im Parlament und die Kommunalwahlen im kommenden Jahr ein.

An diesen will dann auch die Partei Farc wieder teilnehmen, die sich nach einem enttäuschenden Ergebnis von weniger als 0,5 Prozent der Stimmen bei den Kongresswahlen im März aus dem Präsidentschaftswahlkampf zurückgezogen hatte. Die ehemalige Guerilla gratulierte Duque am Wahlabend nur zurückhaltend, da er den Farc die im Friedensvertrag ausgehandelten Sitze im Kongress streitig machen will und die vereinbarte Übergangsjustiz in Frage stellt. Die Partei wolle sich mit dem neuen Präsidenten treffen und ihre Sichtweise zur Umsetzung des Friedensabkommens darlegen, teilte man mit.

Wenngleich eine geschlossene Rückkehr der Farc zu den Waffen nicht zur Debatte zu stehen scheint, sind viele ehemalige Guerilleros und Guerilleras mit dem Friedensprozess unzufrieden. Veränderungen des Friedensvertrags könnten das Vertrauen nicht nur in der mittleren und unteren Parteiebene weiter erschüttern, sondern auch das der Guerilla ELN. »Wenn Duque gewinnt, sinken die Aussichten auf Frieden«, hatte Diego Sepúlveda, ein Mitglied der ELN-Delegation bei den derzeit noch stattfindenden Gesprächen in Havanna, zuvor betont. Duque hat angekündigt, die Sammlung der ELN-Kämpfer in festgelegten Zonen und die Aufgabe illegaler Akti­vitäten zur Bedingung für die Fortsetzung der Gespräche zu machen. Andernfalls werde er die Bekämpfung der Guerilla wieder aufnehmen, um deren Unterwerfung zu erzwingen. Dass dies den bewaffneten Konflikt erneut eskalieren lassen könnte, befürchten vor allem die Menschen in den Regionen, in denen dieser trotz Demobilisierung der Farc weiter schwelt. Hier stimmte vielerorts eine deutliche Mehrheit für Petro.