Die geplante EU-Reform des Urheberrechts bedroht das freie Internet

Angriff auf das freie Internet

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In Deutschland wollte zunächst kaum jemand solche Upload-Filter. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht sogar explizit, dass sie derlei Filter ­ablehne. Französische Abgeordnete hatten darauf bestanden, während die deutschen das Leistungsschutzrecht für Presseverleger in der Richtlinie ­unterbringen wollten. Nun steht beides drin, damit beide Seiten zufrieden sind.

Das Leistungsschutzrecht ist eine deutsche Spezialität, die es sonst in dieser Form nur noch in Spanien gibt. Wer kürzeste Textschnipsel unter Links zu Presseerzeugnissen anzeigt, wie Suchmaschinen das üblicherweise tun, muss demnach eine Gebühr an den betreffenden Verlag zahlen. Das im August 2013 in Kraft getretene Gesetz entstand auf Betreiben von großen Presseverlagen, unter anderem Axel ­Springer, die damit Google ein wenig von seinen Milliarden an Werbeeinnahmen abknapsen wollten. Allerdings ging das Ansinnen gehörig nach hinten los. Google drohte einfach damit, die betreffenden Websites nicht mehr in den Suchergebnissen anzuzeigen, und bekam eine Gratislizenz. Auf der Strecke blieben kleine Anbieter wie etwa der News-Aggregator Rivva, der fortan auf die Anzeige kurzer Textschnipsel verzichten musste. Die Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunternehmen, VG Media, die diese Gebühren eintreiben soll, erzielte nach eigenen Angaben seit Einführung des Leistungsschutzrechts Einnahmen von gerade einmal 30 000 Euro – bei Ausgaben in Höhe von 2,2 Millionen Euro, über­wiegend für Rechtsstreitigkeiten. Erneut heißt der einzige Profiteur des Gesetzes Google.

Vorgesehen ist, dass das Gesetz fünf Jahre nach seiner Verabschiedung ­evaluiert werden soll. Allerdings verschleppt das zuständige Justizmini­sterium diese Evaluierung. Stattdessen soll das Leistungsschutzrecht nun in verschärfter Form auf europäischer Ebene eingeführt werden und findet sich in Artikel 11 der neuen Richtlinie. Künftig könnten kürzeste Wortschnipsel und sogar Überschriften gebührenpflichtig werden. Weil oftmals bereits die URLs einige dieser Wörter enthalten, könnte bereits ein einfacher Link darunter fallen.

Nicht einmal Axel Voss kann klar beantworten, ab wann das Gesetz genau greifen würde. Das müsse halt künftig von Gerichten entschieden werden. Ein einfacher Link würde damit zum juristischen wie finanziellen Risiko. ­Betroffen wären nicht nur Google und Facebook, sondern beispielsweise auch Websites, die Nachrichten zusammenstellen, Blogs, die sich auf Zeitungsartikeln beziehen und Websites, die Faktenchecks betreiben und die Links als Quelle benötigen. Private Nutzer sollen von Artikel 11 zwar ausgenommen sein, allerdings bleibt im Richtlinientext schwammig, was »privat« heißt. Nach gängiger Rechtsprechung wird bereits das Betreiben eines Blogs ohne gewerbliche Interessen als »geschäftsmäßig« betrachtet.

Texte ins Netz stellen, Dateien hochladen und Websites miteinander ­verlinken – all diese Tätigkeiten sind Grundbausteine des Web. Die ge­plante EU-Richtlinie ist deshalb ein Frontalangriff auf die Informations­freiheit im Netz. Dieses droht, zu einem von wenigen Medienhäusern kontrollierten Konsummedium zu werden. Werden Nachrichten nicht mehr per Suchmaschinen und Übersichtsseiten gefunden, werden Menschen, die sich für das Tagesgeschehen interessieren, direkt auf den Seiten der großen Medienunter­nehmen nachsehen. Die kleinen geraten dabei ins Hintertreffen.

Das neue Gesetz fällt in eine Zeit, in der die Datenschutzgrundverordnung das Publizieren im Internet enorm bürokratisiert und in den USA die Regulierungsbehörde FCC gerade die Netzneutralität abgeschafft hat. Sie besagt, dass alle In­halte gleichberechtigt durchgeleitet werden müssen.  

2018 ist also kein gutes Jahr für das freie Internet. Dabei ließe sich in ­Europa das Schlimmste noch verhindern. Denn die Artikel 11 und 13 sind im Rechtsausschuss mit einer knappen Mehrheit von konservativen, liberalen und rechten Abgeordneten angenommen worden. Das Europaparlament stimmt voraussichtlich Anfang Juli über die Richtlinie ab.

Anschließend muss sie noch im europäischen Rat verhandelt werden, bevor sie gegen Ende des Jahres endgültig beschlossen werden könnte. Es ist also noch Zeit, die Richt­linie durch öffentlichen Druck zu verhindern.