Die Armee verteidigt den Staat des Kapitals

Verweigerung der Staatskritik

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Auf dem Konkret-Kongress 1993 entrüstete sich ein junger Mann darüber, »dass ihr nie darüber ­diskutieren wollt, dass dieses Land das Land nach ­Auschwitz ist«. An Gültigkeit hat dieser ­Einspruch gegen linksdeutsche Theorien nichts verloren. Wer vom Staat nichts wissen will, weiß auch nichts davon, dass sich Staatlichkeit als Garantie der Reproduktionsfähigkeit einer Gesellschaft in zwei unterschiedlichen Formen entwickelt hat. Die historischen Entwicklungen kann man an den USA und Deutschland ablesen. Ihr Unterschied wird in der Krise deutlich.

Die amerikanische Krisenlösung baut auf den freien Markt und nutzt die Armee zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit. Auch eine dortige »Bewaffnung der Masse« (Lena Rackwitz) entmachtete den Staat nie. Bei der deutschen Krisenlösung hingegen wurde jener Markt der Volksgemeinschaft geopfert. Nach Gerhard Scheit gelingt diese Versöhnung von Kapital und Arbeit durch die totale Identifikation mit dem Staatssubjekt Kapital. Wie bereits Walter Benjamin feststellte, macht diese in der Volksgemeinschaft kulminierende »Einfühlung in ihren Tauschwert (…) noch Kanonen zu demjenigen Konsumgegenstand, der erfreulicher ist als Butter«. Weil sie den Tauschwert zur konkreten Identität macht, muss die Volksgemeinschaft notwendigerweise die Personifizierung der abstrakten Seite des Werts loswerden. Der Staat des Grundgesetzes, also die Bundesrepublik, hat diese Volksgemeinschaft als Staatsvolk gesetzt. Er ist die real existierende Negation jeder ­revolutionären Bestrebung. Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen müssen stets bereit sein, für diesen praktischen Antikommunismus ihr Leben herzugeben. Diese erwartete Opferbereitschaft des Heeres ist die Zuspitzung des fetischisierten Bewusstseins der Volksgemeinschaft. Man unterscheidet im Zweifelsfall nie zwischen Bürgern mit oder ohne Uniform. Der Knechtgeist der Deutschen ist, anders als Drücke und Tucholsky es proklamieren, gerade kein allein auf den Militarismus zurückzuführendes Phänomen. Im Gegenteil, er ist immanenter Teil der Staatsideologie, in der Krieg als Ausnahmezustand selbst zu Friedenszeiten angenommen wird. Die Entnazifizierung, die schon auf der personellen Ebene nicht konsequent durchgeführt wurde, tastete die Ideologie der Volksgemeinschaft niemals an – sie wurde nur umetikettiert. Die Möglichkeit einer Renazifizierung behält sich die BRD vor. Deren Institutionen beruhen eben auf dieser Möglichkeit.

Als deutsche Ideologie ist diese Volksgemeinschaft notwendiges, aber falsches Bewusstsein eines jeden deutschen Volksgenossen. Auch ohne direkten staatlichen Zwang äußert sich dieses in deren alltäglichem Handeln. Eine Volksbewaffnung, wie Rackwitz sie fordert, dürfte sich dementsprechend als fatal für all jene erweisen, die als Negativbild jene Volksgemeinschaft erst konstituieren helfen. Somit gibt es für Kommunisten in der Bundeswehr nichts zu holen – außer einer Karriere in der Politik oder dem akademischen Betrieb.