Was kümmert mich der Dax - Die CSU will eine Wende zu völkischer Politik und »illiberaler Demokratie«

Vor der Wende

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Auf den ersten Blick erscheint es so, als fehle Markus Söder ein guter Consigliere. »Don Markus«, würde dieser dem bayerischen Ministerpräsidenten sagen, »bei allem Respekt: Deine Vorgehensweise ist unklug. Denke daran, dass wir die kleinere Familie sind. Wir brauchen Verbündete. Dein Capo in Berlin handelt übereilt. Viele, die unter dem Tisch schon ihre Waffen durchgeladen haben, zögern jetzt. Auch sie wollen Donna Angela beseitigen, aber sie wollen es zu einem von ihnen gewählten Zeitpunkt tun, denn sie haben noch keinen geeigneten Mann, der sie ersetzen kann. Wir beide wissen, dass du dieser Mann sein willst, und du kannst es schaffen. Aber du musst den Capos der größeren Familie mehr Respekt erweisen. Sonst könnten sie uns unser Territorium streitig machen. Wir werden dann an Einfluss verlieren.«

Aber in der mafiösen Politik hat Brutalität nach Art der mexikanischen Kartelle den – in der »Pate«-Trilogie wohl ein wenig romantisierten – distinguierten Stil der klassischen Mafia ersetzt, und die konservative Politik vollzog in den vergangenen Jahren eine vergleichbare Wende. Bei der Abkehr von konservativen Werten ist nach dem Anstand und der Seriosität nun die hierarchische Ordnung an der Reihe. Die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin, immerhin ein Artikel des Grundgesetzes, will Innenminister Horst Seehofer sich »nicht gefallen lassen«. Er stellt Angela Merkel ein Ultimatum, sie muss seine Arbeit erledigen – Verhandlungen mit den Innenministern anderer EU-Staaten fallen in Seehofers Ressort – und er, Söder und Alexander Dobrindt hintertreiben ihre Bemühungen dann mit hämischen Kommentaren und Hetzreden. Flegelei, Sabotage der Regierungsarbeit, offene Insubordination, Erpressung der Schwesterpartei – Helmut Kohl hätte einen solchen Minister schneller in den hintersten Winkel der Ostzone verbannt, als Hannelore »Komm essen« sagen konnte. Merkel fehlt dafür der Rückhalt. Wenn aber Seehofer seinen Willen bekommt, übernimmt die CSU de facto die Richtlinienkompetenz und es dürfte nicht lange dauern, bis sie die SPD aus der Koalition herausintrigiert, um den Weg für eine »Bahamas-Koalition« mit AfD und FDP frei zu machen.

Man könnte erwarten, dass Selbstachtung, Machtbewusstsein und wirtschaftspolitische Vernunft – Seehofers Grenzkontrollen würden den Schengen-Vertrag brechen und damit die ökonomische Integration der EU gefährden – die Funktionäre und Funktionärinnen der CDU dazu bringen, die feindliche Übernahme durch die bayerischen Lümmel zu verhindern. Doch sicher ist das keineswegs. Die »Flüchtlingskrise« ist ein Vorwand, um eine Wende zu völkischer Politik und »illiberaler Demokratie« zu vollziehen, und dafür gibt es in der CDU viel Sympathie. »Nicht jeder, der über Arbeit, deutsche Sprachkenntnisse und ein leeres Vorstrafenregister verfügt, ist zwangsläufig integriert«, dozierte Seehofer in der FAZ. »Das gilt für Zuwanderer wie auch für deutsche Staatsbürger gleichermaßen. Integration ist eine fortwährende kulturelle Aufgabe.« Man muss das als Drohung verstehen.