Raucherecke - Erdoğan-Anhänger haben in Dortmund den Wahlausgang gefeiert

Zum Glück nicht kurdisch

Raucherecke Von

Das könnte übel ausgehen. Hängt da über der Eingangstür eines Kulturvereins tatsächlich eine rot-weiß-grüne Fahne? Gibt es hier etwa einen kurdischen Verein? Nicht weit ­entfernt laufen gerade 400 Erdoğan-Anhänger unter lauten Lobpreisungen Gottes und »ihres Präsidenten« durch die Dortmunder Nordstadt. Vor sich tragen sie eine grüne Fahne mit drei Halbmonden, eine Kriegsflagge des Osmanischen Reichs. Sollte das hier wirklich ein kurdischer Verein sein, dann könnte es gleich krachen.

Es ist Sonntagabend, 22 Uhr, die AKP-Anhänger haben bereits eine Stunde lang auf dem Borsigplatz gefeiert. Die Polizei scheint überrascht zu sein von der Wahlparty. Was sie an Streifenwagen auf­bieten kann, steht auf dem und um den Platz. Sie beschränkt sich darauf, Autos umzuleiten, die Schienen der Straßenbahn freizuhalten und freundlich an die Erdoğan-Anhänger zu appellieren, doch ­lieber in einen Park zu gehen oder sich auf dem Bürgersteig zu versammeln.

Auf dem Borsigplatz zu feiern, ist eigentlich Borussia Dortmund vorbehalten. Der Fußballclub wurde wenige Meter vom Platz ­entfernt gegründet. Der BVB-Fan, Historiker und Filmemacher Jan-Henrik Gruszecki twittert: »Die letzten beiden Personen, die dafür gesorgt haben, dass der Borsigplatz gesperrt wird: Thomas Tuchel und Recep Erdoğan.« Der türkische Präsident hat das in den vergangenen Jahren allerdings deutlich öfter geschafft als Gruszeckis Lieblingsclub. 2016, in der Nacht des Putschversuchs in der Türkei, eilten die Erdoğan-Fans auf den Platz in Dortmund; 2017, nach dem für sie erfolgreichen Referendum, taten sie es erneut. Der BVB ­errang im selben Zeitraum nur einen Pokalsieg.

Um über den BVB nachzudenken, bleibt an diesem Abend aber nicht viel Zeit. Die Erdoğan-Anhänger wollen sich bewegen und beginnen einen Jubelzug über den kreisrunden Platz. An den ­Bäumen hängen Plakate. Sie künden von einer »Freien Republik Borsigplatz«, zeigen bunte Bildchen, daneben stehen einzelne ­Wörter wie »Willkommen« und »Frieden« in verschiedenen Sprachen. Der Anspruch der öffentlich geförderten Künstler, die die ­Plakate angebracht haben, und das Geschehen im Stadtteil passen an diesem Abend nicht ganz zusammen. Eine Friedensdemonst­ration ist das nicht, was hier gerade läuft. Immer wieder rufen die Anhänger Erdoğans Parolen gegen die PKK, die Stimmung ist auf­geheizt. Menschen am Rande des Platzes halten Abstand oder beeilen sich, an der Menschenmenge vorbeizukommen. Nur an ­einem Kiosk freuen sich einige Deutsche, mit denen es das Leben nicht so gut gemeint hat, bei Billigbier über das Spektakel.

Immer nur im Kreis zu laufen, wird den Wahlsiegern irgendwann zu langweilig, sie biegen auf eine Straße in Richtung Innenstadt ein. Und dort nähern sie sich dem Kulturzentrum, an dem die grün-weiß-rote Fahne hängt, die irgendetwas Goldenes in der Mitte hat. Aus der Ferne ist die Fahne allerdings nicht im Detail zu erkennen. Die Technik muss helfen: Die Kamera meines Mobiltelefons hat ja eine Zoom-Funktion. Und diese offenbart schließlich: Es ist ein tadschikischer Kulturverein. Das goldene Ding in der Mitte ist keine kurdische Sonne, sondern eine tadschikische Krone mit Sternchen. Großes Aufatmen: Zum Glück nichts Kurdisches, angesichts von so viel Türkischem.