Im Iran flammen neue Proteste auf, die Wirtschaftskrise verschärft sich

Kein Wasser, aber Raketen gibt es genug

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Tatsächlich fällt der Wechselkurs des Rial immer weiter. Während nach dem offiziellen Wechselkurs die Iraner am 29. Juni 2017 für einen Dollar 32 490 Rial zahlten, waren es ein Jahr später rund 42 590 Rial, so boerse-online.de. Auf dem Schwarzmarkt zahlen die Iraner derzeit bis zu 90 000 Rial für einen Dollar, berichtet ein offizieller iranischer Sender. Geht es so weiter, könnte das den Kollaps der Wirtschaft zur Folge haben. Bereits im April hatte die iranische Wirtschaftszeitung Eqtesad News berichtet, dass der Wert der iranischen Währung um etwa 40 Prozent gesunken sei. Die Bazaris können die immer teurer werdenden Importwaren nicht mehr absetzen, doch auch die iranische Industrie ist auf auslän­dische Lieferungen angewiesen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) berichtet, dass der Iran im Jahr 2017 mit dem Ölverkauf etwa 50 Milliarden Dollar eingenommen habe. Im laufenden Jahr sollten die Einnahmen auf 63 Milliarden steigen. Der Ölverkauf macht rund 60 Prozent der iranischen Exporteinnahmen aus. Ein Einbruch könnte die iranische Wirtschaft gänzlich lähmen.

Mittlerweile fordert die US-Regierung alle Staaten auf, bis November ihre Ölimporte aus dem Iran einzustellen – eine höhere Fördermenge der Golfmonarchien soll einen Ausgleich schaffen. Die US-Regierung beabsichtigt zudem, den Iran vom Swift-System, das einen globalen Geldtransfer ermöglicht, ausschließen. Die europäischen Staaten sind jedoch dagegen und derzeit ist unklar, ob die Sanktionsdrohungen der USA ausreichen, einen so weitreichenden Boykott durchzusetzen.

Der Iran exportierte im Jahr 2017 täglich etwas mehr als 2,1 Millionen Barrel Öl. Ein Drittel davon wird nach Europa verkauft, die wichtigsten Kunden sind jedoch China, Indien, Südkorea und Japan. Die US-Regierung versucht, die asiatischen Staaten unter Druck zu setzen, damit sie ihren Handel mit dem Iran vermindern und die Öleinfuhren gänzlich einstellen. Ob sie sich fügen werden, ist ebenso unklar wie die zukünftige Haltung der EU. Deren Repräsentanten halten auch nach dem Rückzug der USA am Atomabkommen mit dem Iran fest. Die Unternehmen, für die das US-Geschäft meist unverzichtbar ist, dürften allerdings empfänglicher für Druck sein als die Regierungen.

Präsident Hassan Rohani gibt sich optimistisch, iranischen Medien zufolge glaubt er, die Folgen der Sanktionspolitik bewältigen zu können. Allerdings will er die Iraner offenbar auch auf noch schlechtere Zeiten vorbereiten. Weizen, Speiseöl und Zucker seien ausreichend im Land vorhanden, man müsse die US-Sanktionen daher nicht fürchten, belehrte der Präsident die ­Bevölkerung.
Rohani, der 2013 an die Macht kam und am 20. Mai 2017 wiedergewählt wurde, hat sich damit gebrüstet, dass in seiner ersten Regierungsperiode die iranischen Militärausgaben um 145 Prozent gestiegen seien. Dem schwedischen Friedensforschungsinstitut Sipri zufolge war die Steigerung geringer, sie habe zwischen 2014 und 2017 etwa 37 Prozent betragen. Doch nicht alle Militärausgaben werden als solche ausgewiesen. So gilt ein Teil des Raketenprogramms als zivil, obwohl es sich um potentielle Trägerwaffen handelt, die auch eine Bedrohung für die Sicherheit Europas darstellen könnten. Die Kosten für die Interventionen in Syrien, im Irak und im Jemen können allenfalls grob geschätzt werden.

Der iranische Staat setzt auf militärische Stärke, um seine expansionistische Politik fortzuführen und für den Kampf gegen den inneren Feind gerüstet zu sein. Die Ideologisierung des Regimes macht es unmöglich, diese Ziele aufzugeben, obwohl die ökonomische Basis für eine so kostspielige Rüstungs- und Interventionspolitik fehlt. Korruption und Misswirtschaft der diversen Fraktionen des Regimes sind ebenfalls untrennbar mit dem System der Islamischen Republik verknüpft. Ob es zum Zusammenbruch der Wirtschaft oder sogar des Regimes kommt, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass die Ayatollahs nicht in der Lage sind, die ökonomischen Probleme des Landes zu lösen, und dass die Iranerinnen und Iraner immer weniger bereit sind, die desas­trösen Zustände hinzunehmen.