Faschisierung und Kapitalismus

Die Geister des Faschismus

Seite 2 – Betriebsdiktatur und Markt


Motoren des Abgleitens sind – neben Dummheit, Ideologie und teuflischen Traditionen – die Marktwirtschaft, die Staaten, Unternehmen und Indivi­duen permanent nach »produktiv« und »unproduktiv« selektiert und ent­sprechend Bewusstsein prägt, sowie die Entfremdung in der Arbeit. Arbeit hat die Menschheit vorangebracht, sie macht aber auch »stumpfsinnig und einfältig« (Adam Smith), konfisziert alle »geistige Tätigkeit« (Friedrich Engels), schafft »Paläste«, aber auch »Blödsinn, Kretinismus für den Arbeiter« (Karl Marx). Der Mensch, der durch die Betriebsdiktatur, in die er jeden Morgen fährt, und andere Zwänge um sein Leben betrogen wird, sucht, sofern er seine Lage nicht kritisch reflektiert, nach einem Objekt, an dem er sich schadlos halten kann.

In Hoyerswerda wurden brandschatzende Männer 1991 nach Motiven ­gefragt. »Neger zwingen ihre Frauen zu Sextänzen in Kellerkneipen«, sagte einer. Ein anderer giftete: »Der hat wahrscheinlich im Heim drei Frauen.« Ein Dritter: »Zigeunerinnen tragen ­keine Unterhosen.« Die »Neger standen nur immer da mit ihrer unverschämten Lässigkeit, selbst nach der Arbeit, wenn sie kaputt waren«, sagte ein ­Arbeiter. Die Verkümmerten projizieren das ihnen abhanden gekommene lebendige Leben in entstellter Form auf Fremde und können erst ruhig schlafen, wenn jene vertrieben oder tot sind. Daran knüpft Björn Höcke (AfD) an, wenn er über den hiesigen »Platzhaltertyp«, der sich nicht vermehre, »und den afrikanischen Ausbreitungstyp«, der sich rasant vermehre, sinniert und sagt: »Das drängendste Problem unserer Zeit ist der Verlust der Männlichkeit. Nur wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, ­werden wir mannhaft.« Die doppelte Vermannung weist auf Defizite hin.

 

Dichter und Denker

Auch Intellektuelle, die das große Brimborium erregt, sind dabei. 1993 machte der Spiegel-Essay »Anschwellender Bocksgesang« des Dichters Botho Strauß Furore: »Dass ein Volk sein Sittengesetz gegen andere behaubten will und dafür bereit ist, Blutopfer zu bringen, verstehen wir nicht mehr und halten es in unserer liberal-libertären Selbstbezogenheit für falsch und verwerflich.« Was sonst? Man war ­wieder beim Menschenopfer angelangt, das Gott schon im Alten Testament durch das Schaf ersetzt hatte. Martin Walser klagte über die »Moralkeule Auschwitz« und der Philosoph Peter Sloterdijk rühmte Heidegger, der die Epochenfrage gestellt habe: »Was zähmt noch den Menschen, wenn der Humanismus als Schule der Menschenzähmung scheitert?« Der Nationalsozia­lismus, meinte Heidegger. Die Aufklärung begreife nicht, »dass nicht der Mensch das Wesentliche ist, sondern das Sein als die Dimension des Eksta­tischen der Eksistenz«. Das Brimborium also. Sodann pries er die »innere Wahrheit und Größe der nationalsozialistischen Bewegung«.

Heute legen Politologen, Psychologen und Robert Habeck uns im Fernsehen ein offenes Ohr für Pegida und die Heimat als Grundbedürfnis nahe. Habeck will sogar allen Menschen, »die sich wegen der Globalisierung heimatlos ­fühlen«, eine »Heimat« spendieren. Die Wirkung ist fatal. Wenn Verblendete annehmen dürfen, dass ihr Wahn sachlich zu erörtern sei oder alle so dächten wie sie, verwandeln sich Vorurteile in Gewissheiten.

 

Die »Lösung«

Das System produziert und reproduziert das Böse. Dagegen ist jede Bewegung wertvoll, die faschistisches Agieren riskant macht und Solidarität aufblitzen lässt. Auf Dauer hilft nur die Überwindung des Kapitalismus, der pausenlos Empathie killen muss, um zu funktionieren. In der neidvollen Projektion, dass Arbeitslose ihre Tage wohl genießen, liegt verschüttet das Fundament der Befreiung. Erwerbstätige müssten nur noch so leben, wie sie es Arbeits­losen neiden, und die vom Sockel stürzen, die ihnen den Weg dahin vesperren, statt ihre Entbehrung an Arbeitslosen, Ausländern und Juden auszu­lassen, die ihnen nichts tun. Arbeitslose wiederum müssten tun, was Erwerbstätige ihnen unterstellen. Auf diese Weise könnte der auf Entbehrung beruhende Anteil am Rassismus und Antisemitismus sinken.