Die linke Sammlungsbewegung »Aufstehen« entsorgt den Antirassismus

Aufstehen für Pegida

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Ostdeutsche Identitätshuberei war schon immer hauptsächlich Heimatschutz (Jungle World 1/1999), die Fremdenfeindlichkeit, die sich dabei – außer gegen Ausländer – gegen die »Wessis« richtete, meinte »den Westen« insgesamt und mit dem Westen wiederum weniger den Kapitalismus, sondern alles Kosmo­politische, Transnationale, potentiell Amerikanische und überhaupt alles Fremde. Oder wie es Jan Gerber 2010 in der Zeitschrift Prodomo grundsätzlich formulierte: »Der Kampf gegen Fremdherrschaft richtet sich weniger gegen die Herrschaft als gegen die Fremden.«

Auch Sahra Wagenknecht gehörte mit ihrer Kommunistischen Plattform von Anfang an zu denen in der PDS, die sich mit viel DDR-Nostalgie vor allem um die ostdeutsche Seele kümmerten. Sie warnte bereits 1994 vor einer imperialistischen »Fremdverwaltung«, womit sie schon damals das Gerede von der zu verteidigenden »Souveränität« vorwegnahm, mit dem mittlerweile ­Pegida und andere rechte Verschwörungstheoretiker wie Jürgen Elsässer für ihre Ziele werben.

Rainer Trampert schrieb 2016 in Konkret mit Bezug auf Wagenknecht: »Der Flüchtling nimmt aktuell den ­ersten Rang ein in dem Verschwörungsstück, das Deutschland als Opfer fremder Machenschaften präsentiert. Das Böse von außen hat viele Namen: Flüchtling, Einwanderer, Globalisierung, Angloamerika, Israel, New York, internationale Finanzen, EU-Kommission, TTIP, Osteuropäer. Die Fremdenangst und die stilisierte Bedrohung schweißen das völkische Kollektiv zusammen.« Und dieses Kollektiv klammert sich verzweifelt an seine Nation und damit an den in der wirtschaftlichen, aber auch kulturellen Globalisierung an Einfluss verlierenden Nationalstaat.

Der Historiker Peter Brandt (Jungle World 36/2012), Sohn Willy Brandts, wirbt bereits seit Jahrzehnten, gerne auch in extrem rechten Publikationen, dafür, dass die Linke sich der nationalen Frage annehmen möge, und zählt nun, wie Lafontaine stolz auf Facebook verkündete, zu den Unterstützern von »Aufstehen«. Brandt schrieb vergangene Woche im IPG-Journal der Friedrich-Ebert-Stiftung: »Die Nation ist für die Mehrheit der Menschen überall auf der Welt weiterhin die primäre Bewusstseins-, Gefühls- und Kommunikationsgemeinschaft (…). Der Nationalstaat bleibt der bislang einzige gesicherte Rahmen für Rechtsstaat und Demo­kratie, auch wenn er sukzessive Kompetenzen an übernationale Einrichtungen abgegeben hat und möglicherweise weiter abgeben wird.« Es gibt zwei Möglichkeiten, mit diesem Befund umzugehen: sich an den Nationalstaat klammern und ihn mit völkischem oder patriotischem Brimborium ver­teidigen oder postnationale und urbane Kämpfe für globale Freiheit, Rechte und soziale Standards führen. Wagenknecht hat sich für die erste Option entschieden.

Es handelt sich dabei nicht allein um ein deutsches oder gar ostdeutsches Phänomen – es tritt weltweit auf, ob in Gestalt Donald Trumps, Wladimir ­Putins, Recep Tayyip Erdoğans oder Viktor Orbáns. Insofern greift »Aufstehen« tatsächlich die aktuelle Debatte auf und bezieht Position in der neuen weltweiten Frontstellung: hier Kosmopoliten, Trans- und Antinationale, ­Urbane, Moderne, Liberale und Antiautoritäre und dort Nationalisten, ­Separatisten, Identitäre, Fundamentalisten.

Gegen diese Sichtweise wird zuweilen eingewandt, dass der Islamismus ­keine nationale, sondern ebenfalls eine universalistische Bewegung sei, was durchaus richtig ist. Doch umso mehr muss es eine transnationale Antwort geben, er kann nicht durch nationale Abschottung bekämpft werden. Der ­Islam als politische Bewegung ist deshalb so erfolgreich, weil er die nicht mehr zu haltenden nationalen Grenzen ignoriert und damit nun in gewisser Weise Avantgarde ist. Wer glaubt, ihn mit Rezepten aus der Vergangenheit aufzuhalten, verschafft ihm nur mehr Legitimation.

Es könnte durchaus sein, dass »Aufstehen« erfolgreich wird. Einer Umfrage des Instituts Emnid zufolge können sich 34 Prozent der Bundesbürger vorstellen, die »Sammlungsbewegung« bei einer Bundestagwahl zu wählen. Doch wählbar ist sie ja gerade nicht. Und hier zeigt sich die Gefahr dieser »Bewegung«. Am Ende wählen die, die sich »von der Politik alleingelassen fühlen« (Wagenknecht) und so tapfer aufgestanden sind, dann eben das Original. Eine Umfrage des ZDF wenige Tage nach der Bekanntmachung Wagenknechts zeigt, wohin die Reise gehen könnte: AfD und Grüne legten zu. Die AfD liegt demnach bei 16, die Grünen bei 15 Prozent, die Linkspartei sackte um zwei Punkte ab und kommt nur noch auf neun Prozent Wählerzuspruch. »Aufstehen« wird die AfD wohl weiter anfüttern.