Meinung: #MenAreTrash

Recycelter Sexismus

Der Hashtag #MenAreTrash hat erwartbare Reaktionen ausgelöst. Wie so oft, wenn Frauen es wagen, darüber zu sprechen, dass Männer nun einmal auch Täter sind.
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Klickt man sich gerade durch ein paar von Männern (und einigen Frauen) geführte Twitter-Accounts, könnte man glauben, es wäre ein globaler Maskuzid im Gange: Männer weltweit sind unter Attacke. Sie werden verletzt, angegriffen, als Geschlechtskollektiv Aburteilung und Entwertung unterzogen, WEIL SIE MÄNNER SIND. Nun, nicht mit systematischer und institutionalisierter Gewalt – das passiert in einer patriarchal strukturierten Gesellschaft nur Frauen – sondern durch den Hashtag #MenAreTrash, übersetzt: „Männer sind Müll“.

Der Hashtag entstand 2016 in Südafrika, um auf die grassierende sexuelle Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen, verschwand aber nach einiger Zeit 2017 in der Versenkung, bis er in Deutschland durch einen Tweet der TAZ-Autorin Sibel Schick wieder ins Leben gerufen wurde.

Sie ließ damit das deutsche Twitter für einige Tage explodieren. Einige Männer reagierten erwartungsgemäß, indem sie Frauen als frigide Fotzen bezeichneten, die dringend mal durchgefickt, oder gleich ins Konzentrationslager geschickt werden müssten. Repräsentativ für diese Fraktion ist der ehemalige Fernsehmoderator Niels Ruf, der immer mal wieder versucht, sich durch misogyne oder rassistische Ausfälle wieder ins Licht medialer Aufmerksamkeit zu rücken und immer wieder kläglich dabei scheitert. Schließlich tut er alles dafür, um zu beweisen, dass der Hashtag seine Berechtigung hat.

Auf der anderen Seite halten Männer flammende Plädoyers, dass sie zu den Guten gehören; dass sie den Hass und die Wut nicht verdient haben; dass man ihnen viel mehr Pokale dafür überreichen sollte, noch keine Frau vergewaltigt zu haben; dass Frauen wieder einmal beweisen müssen, von Natur aus „bessere Menschen“, also Verkörperungen von Weisheit und Güte zu sein und dass sich alle doch bitte mal beruhigen sollten, sonst werde alles noch viel schlimmer.

Sie sind verletzt, dass Frauen es wagen, darüber zu sprechen, dass Männer nun einmal auch Täter sind. Da ist es wichtiger: „Aber nicht alle Männer!“ zu schreien, anstatt sich anzuhören, was Frauen zu sagen haben.

Es ist gleichgültig, ob man sachlich und rational über die Zurichtung patriarchaler Strukturen spricht, oder ob man Männer als „Müll“ bezeichnet: Die misogyne Abwehr tritt in beiden Fällen ein.

An dieser Stelle muss gesagt werden, dass ein Hashtag wie #menaretrash in seiner kollektivierenden Kritik durchaus seine problematischen Momente hat; beispielsweise die Tradition rassistischer Stereotypisierung schwarzer Männer durch weiße Frauen. Oder, wenn eine Twitter-Userin „schwule alman Männer“ als „so krasser Abfall“ bezeichnet und somit sämtliche Leidenserfahrungen von Schwulen delegitimiert. Twitter ist leider ein Medium, welches aufgrund seiner Geschwindigkeit, seines massenpsychologischen Moments sowie der Knappheit der Postings selten Raum für komplexe Debatten gibt. 
Ähnlich wie bei #metoo geht es jedoch vor allem darum, eigene Leidenserfahrungen zu artikulieren, und sowohl Täter als auch jene Strukturen, die das Tätersein ermöglichen, auf polemischer Art und Weise zu benennen, sehr zum Leidwesen der Attackierten.

Wie es zu erwarten war, können Männer nicht damit umgehen, als Kollektiv abgeurteilt zu werden. Diese beweisen mit ihren Reaktionen vor allem eins: ihre Unfähigkeit, von dieser konkreten Erfahrung auf die anderer, nämlich von Frauen*, zu abstrahieren.

Sie lamentieren, der Begriff „Trash“ würde sie entwerten, entmenschlichen, einige sind sich sogar nicht einmal zu schade, Holocaustvergleiche zu ziehen. Dabei geht es dem Hashtag vor allem um eins: darum, zu vermitteln, wie es ist, aufgrund seines Geschlechts abgewertet zu werden.

Frauen machen diese Erfahrung tagtäglich, und sie geht weit über die bloße Kränkung durch einen Hashtag-Trend hinaus, sondern manifestiert sich ganz real auf ökonomischer, sexueller, ideologischer, gesellschaftlicher Ebene, kurz: Sie ist allumfassend und totalitär. „Wenn es einen Hashtag wie „Women are Trash“ geben würde, stünden alle Frauen auf den Barrikaden“, so der Tenor auf Twitter und darüber hinaus. Aber Frauen machen diese Erfahrung tagtäglich, auf der Straße, im Internet, im Beruf und im Zwischenmenschlichen. Sie werden tagtäglich von Männern zu bloßen Objekten gemacht. Würden jene Männer, die sich von einem Hashtag so verletzt fühlen, auch nur einen einzigen Tag jene Zurichtungen erleben, die Frauen von klein auf konditioniert sind zu ertragen, würden sie vermutlich zusammenbrechen.

Viele Kritiker von #menaretrash argumentieren, die Radikalität der Aussage stünde einer produktiven feministischen Diskussion im Wege, da sie nur auf Abwehr stoßen würde.

Nun, Frauen* haben, seit sie in der Lage waren, sich Gehör zu verschaffen, auf das Problem struktureller wie individueller Misogynie aufmerksam gemacht, in Vorträgen, Artikeln und in persönlichen Gesprächen. Zu feministischen Errungenschaften wie dem Frauenwahlrecht und der Straffreiheit von Abtreibung kam es nicht durch freundliches Zureden, sondern durch direktes und konkretes Handeln.

Jene vermeintlich Wohlwollenden, die fordern, man solle beim Sprechen über patriarchale Gewalt ein bisschen sanfter sein, vergessen Eines: dass Feminismus immer radikal sein musste, um die Verhältnisse zu bekämpfen. Männer sanft an der Hand nehmen und ihnen zart erklären, dass Patriarchat toxisch, gewalttätig und tödlich ist, hat selten etwas gebracht. Im Gegenteil: Durch die Forderung, man solle Rücksicht auf die empfindsamen und leicht zu kränkenden Männerseelen nehmen, findet eine Selbstinfantilisierung statt, die Aufklärung diametral im Wege steht und die Vorstellung, Männer sollten aufgrund ihres Geschlechts eine Sonderbehandlung erhalten, noch einmal unterfüttert. Die Entzauberung der Welt ist leider eine schmerzhafte Angelegenheit.

Es ist gleichgültig, ob man sachlich und rational über die Zurichtung patriarchaler Strukturen spricht, oder ob man Männer als „Müll“ bezeichnet: Die misogyne Abwehr tritt in beiden Fällen ein. Für viele Männer wäre die Erkenntnis, und noch viel mehr eine empathische Auseinandersetzung mit der Tatsache, aktive Täter in der systematischen Diskriminierung gegen Nicht*-Männer zu sein, ein Schock. Deswegen üben sie sich in der Abwehr wie ein Preisboxer in der Endrunde: Man will sich bloß nicht eingestehen, Mittäter zu sein. Deswegen findet eine konsequente Verweigerung statt, sich mit dem Problem der Gewalt gegen Frauen, egal wie sie artikuliert wird, zu befassen.

Es ist bezeichnend, dass diese Weigerung schon bei der Konfrontation mit entmenschlichender Sprache beginnt. Dass sich ganz Deutschland auf einmal damit befasst, dass Personen verbal ihrer Menschlichkeit beraubt werden, liegt ausschließlich daran, dass es diesmal Mal jene trifft, die ansonsten in der Hoheitsposition sind, nicht davon tangiert zu werden, dass man sie erniedrigt. Für jene, die im Besitz der gesellschaftlichen Hegemonieposition sind, ist erniedrigende Sprache ein Novum, und sie erfahren diese Diskriminierung in einer Härte, die für Marginalisierte bitterer Weise Normalität ist. In dem autoritären Strafbedürfnis gegen die Benutzerinnen des Hashtag artikuliert sich der Versuch, Frauen* in die Schranken zu weisen, dass sie bloß nicht weiter auf die Idee kommen, Männer dazu zu bringen, über misogyne Gewalt nachdenken zu müssen.

Die Tragik ist, dass es so weit kommen musste, dass man zu einer Artikulation wie „Männer sind Müll“ greifen muss, weil rationale und sachliche Argumente keine Früchte getragen haben. Es ist der Aufschrei der Gequälten und Gebrochenen, die anders sich kein Gehör haben verschaffen können.

Anstatt mit Abwehr oder Vergewaltigungsandrohungen zu reagieren, wäre es stattdessen angebracht zu reflektieren, wieso es denn soweit kommen musste.