Die EU betrachtet die ökonomische Expansion Chinas mit Sorge

Autos für die Welt, aber die Technologie bleibt hier

Die USA verhängen Strafzölle gegen China, die EU will chinesische Investitionen schärfer prüfen, die Bundesregierung verhindert zwei Firmenübernahmen durch chinesische Investoren. Die aufsteigende Weltmacht gilt als gefährlicher Konkurrent.

Gutes China, böses China – das Verhältnis Deutschlands und der EU zur aufsteigenden Weltmacht ist widersprüchlich. »Gemeinsam für freien Welthandel« titelte die Website der Bundesregierung zu den bilateralen Regierungskonsultationen im Juli. Andererseits wächst die Sorge wegen der wirtschaftlichen Stärke Chinas. »Es ist der letzte Moment zu handeln«, warnte etwa Mikko Huotari, der Leiter des Programms Internationale Beziehungen bei Merics, dem in Fragen der China-Politik einflussreichsten deutschen Think Tank, im Juni im Gespräch mit der FAZ. China könne in einzelnen Branchen wie der Solarenergie innerhalb kürzester Zeit technologisch zum Westen aufschließen. »Das ist ein Muster, das sich jetzt vielfach auch in anderen Industrien, wie beispielsweise in der Robotik-Branche, wiederholen kann«, so Huotari. Vor allem die Übernahme deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren sei deshalb eine Gefahr.

Die Bundesregierung scheint das ähnlich zu sehen. Gleich zwei große Firmenübernahmen durch chinesische Investoren hat sie in den vergangenen Wochen verhindert. Das staatliche chinesische Energieunternehmen State Grid Corporation hatte 20 Prozent des großen deutschen Stromnetzbetreibers 50 Hertz erwerben wollen – doch im letzten Moment machte ein deutscher Staatsbetrieb ein eigenes Angebot. Kurz darauf blockierte die Bundesregierung die Übernahme der deutschen Firma Leifeld Metal Spinning durch chinesische Investoren. »Wir müssen gegenüber ausländischen Investoren beziehungsweise Staatsunternehmen da achtsam sein, wo unsere nationalen Sicherheitsinteressen gefährdet sind«, begründete das Wirtschaftsministerium die Entscheidung.

Ein solches Veto ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik. Leifeld stellt Maschinenteile her, die für den Flugzeugbau, aber auch bei der Nuklearrüstung genutzt werden können. China versucht, eine zivile Flugzeugindustrie aufzubauen, die mit den globalen Marktführern, dem europäischen Unternehmen Airbus und dem US-amerikanischen Konzern Boeing, konkurrieren kann. »Nationale Sicherheit« ist nicht nur für US-Präsident Donald Trump oft ein Synonym für wirtschaftliches Interesse.

Chinas Wirtschaft ist staatlich gelenkt und besorgt sich gelegentlich auch illegal Technologien – doch solcher »unfairer Praktiken« haben sich aufsteigende Industrienationen immer wieder bedient.

Die chinesische Regierung hat 2015 unter dem Titel »Made in China 2025« einen ehrgeizigen industriellen Entwicklungsplan vorgelegt. In wichtigen Schlüsselindustrien wie der Industrierobotik, dem IT-Bereich, in der Raum-, Luft- und Seefahrt, bei erneuerbaren Energien und Elektromobilität will China bis 2035 technologisch zu den westlichen Industrienationen aufschließen; im Jahr 2049, 100 Jahre nach der Gründung der Volksrepublik, soll China der führende Industriestandort der Welt sein.

Die westlichen Konkurrenten versuchen nun, den technologischen Vorsprung, den sie noch besitzen, zu erhalten. Ein wichtiger Faktor beim gefürchteten Technologietransfer sind chinesische Investitionen in westliche Unternehmen. In die Schlagzeilen schaffte es vor zwei Jahren die Übernahme des deutschen Robotikunternehmens Kuka durch chinesische Investoren. Auch als die chinesische Gruppe Geely Anfang des Jahres überraschend zehn Prozent der Anteile am Konzern Daimler erwarb, war die Aufregung groß.

Wie die Bundesregierung im Mai als Antwort auf eine Kleine Anfrage mitteilte, gebe es steigende Investitionen in Schlüsseltechnologieunternehmen »auch durch Investoren aus Herkunftsländern, die durch staatlich gesteuerte beziehungsweise staatlich unterstützte Direktinvestitionen ihrer Unternehmen gezielt strategische Interessen verfolgen, insbesondere durch den Transfer sicherheitsrelevanter Technologien«. 2017 hatte die deutsche Regierung deshalb neue Regeln erlassen, die »vor dem Hintergrund deutscher Sicherheitsinteressen das nationale Investitionsprüfungsrecht« verschärfen sollten. Seitdem kann die Bundesregierung verhindern, dass deutsche Unternehmen »durch Unionsfremde bzw. Ausländer« übernommen werden, sollten deren angestrebte Anteilsgröße an Unternehmen bei 25 Prozent oder mehr liegen. Entsprechende Regeln gab es bisher nur in der Rüstungsindustrie, nun gelten sie auch in Sektoren wie IT, Finanzen, Logistik und bei »kritischer Infrastruktur«. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kündigte an, in Zukunft solle eine Prüfung bereits beim angestrebten Kauf von 15 Prozent des Unternehmensanteils vorgenommen werden.