Schlägertrupps haben an der Autnomen Universität von Mexiko-Stadt eine lange Tradition

Knüppeln auf dem Campus

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Auch Vergewaltigungen und andere sexuelle Übergriffe und sogar Frauenmorde haben auf dem Campus in den vergangenen Jahren erschreckende Ausmaße angenommen. So wurde die 22jährige Studentin Lesvy Berlín Osorio im Mai 2017 von ihrem Freund vor der Ingenieurswissenschaftlichen Fakultät erwürgt (Jungle World 11/2018). Der Fall war exemplarisch für die Diffamierung ermordeter Frauen in Mexiko, da die Staatsanwaltschaft immer wieder die These verteidigte, es habe sich um einen Selbstmord gehandelt, und über Twitter diffamierende Details über das Leben Lesvys verbreitete. Daraufhin posteten in der Kampagne #simematan (»wenn sie mich umbringen«) unzählige junge Frauen, was alles über sie nach einem gewaltsamen Tod gesagt werden könnte, um ihnen selbst die Schuld daran zu geben.

Im März dieses Jahres wurden die Universitätsdozentin Graciela Cifuentes und ihre Tochter Sol, eine Architekturstudentin, von einem Freund Sols ermordet und ihre Leichen verbrannt. Im August wurde die Studentin Mariana Mendoza entführt, ermordet und verbrannt. Im Durchschnitt werden seit der Erstellung des UNAM-internen Protokolls gegen sexualisierte Gewalt im August 2016 mehr als 20 Anzeigen pro Monat wegen sexueller Übergriffer an den Universitätsinstituten gestellt. Kritiker sagen jedoch, dass diese weder Nachforschungen noch Sanktionen nach sich ziehen. Aggressoren sind Dozenten, Studierende und Unbekannte.
Bei den derzeit stattfindenden Demonstrationen gibt es auch einen starken feministischen Block, der das Ende der Gewalt gegen

Frauen auf dem Universitätscampus fordert. Eine nach den Attacken der porros vergangene Woche einberufene universitätsübergreifende Studierendenvollversammlung sprengte die Kapazitäten des nach Ho Chi Minh benannten Hörsaals der UNAM. Sie war die größte seit der vom September 2014, die stattfand, nachdem 43 Lehramtstudenten in Ayotzinapa von Militär, Polizei und Drogenbanden verschleppt und mutmaßlich ermordet worden waren. Auf der Versammlung wurden auch Forderungen nach dem Rücktritt des Rektors Enrique Graue Wiechers laut. Viele machen ihn für die Zunahme der Gewalt der porros verantwortlich.

Gabriel Regino García, ein Juradozent an der UNAM, stellte in der mexikanischen Ausgabe der Huffington Post die These auf, dass die politisch-akade­mischen Hintermänner der Schlägertrupps mit der Gewalteskalation versuchten, für sich etwas herauszuschlagen, bevor der designierte Präsident Andrés Manuel López Obrador am 1. Dezember sein Amt antritt. Es gehe um politische Posten: So soll Juan Ramón de la Fuente, der als Rektor die porros nach dem Streik von 1999/2000 stärkte, unter López Obrador die mexikanische Regierung bei den Vereinten Nationen repräsentieren. Der künftige Präsident verkündete seinerseits, ­keine Schlägertrupps an den Universitäten zu dulden.

Das würde einen deutlichen Rückgang von Kriminalität und Repression an der Universität bedeuten – eine wichtige Voraussetzung für eine starke Zivilgesellschaft in der neuen Regierungsperiode. Denn die Studierendenbewegung in Mexiko war seit jeher Zentrum und Vorreiter sozialer Bewegungen. So auch im Oktober 1968, als vor den Olympischen Spielen in Mexiko beim Massaker von Tlatelolco Hunderte protestierende Studierende von Militäreinheiten umzingelt und erschossen wurden (Jungle World 51/2017). Dem Massaker folgte eine Politisierung der Gesellschaft, zahlreiche Menschen radikalisierten sich, gingen in den Untergrund und gründeten Guerillabewegungen.

Eine der neueren Studierendenbewegungen war #yosoy132, die sich 2012 bildete, nachdem es Versuche gegeben hatte, spontane Proteste gegen den ­Besuch des damaligen Präsidentschaftskandidaten Enrique Peña Nieto zu dif­famieren und zu kriminalisieren (Jungle World 26/2012). Ihre Forderungen nach einer Demokratisierung der Medien und ihre Kritik am korrupten System der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) dürften letztlich auch zum Regierungswechsel nach den Wahlen im Juli dieses Jahres beigetragen haben.

Am 26. September jährt sich die Verschleppung der Studenten von Ayotzinapa, am 2. Oktober das Massaker von Tlatelolco. Abzuwarten bleibt, inwieweit die Studierendenbewegung es schaffen wird, zu den Gedenkmärschen die Zivilgesellschaft zu mobilisieren. Politische Repression, Gewalt und Drogenhandel sind schließlich Themen, die auch abseits der Universität in Mexiko ein großes Problem darstellen.