Homestory

Homestory #41

Verwirrung machte sich unter den Redakteurinnen und Redakteuren Ihrer Lieblingszeitung vor kurzer Zeit breit, als sie das Treppenhaus auf dem Weg zur Redaktion betraten. Helle, weiße, makellose Wände begrüßten die Eintretenden und sorgten für verdutzte ­Gesichter. Was war geschehen? Hatte man sich im Haus geirrt? Oder aus Versehen ein Portal in eine Parallelwelt betreten? Waren einem diese blütenweiße Wände vorher in der Hektik auf dem Weg zur Konferenz einfach nie aufgefallen?

Sobald man aber die ersten Treppenstufen erklomm, wurde einem die Lösung des Rätsels in Form eines grummeligen Malermeisters präsentiert, der in den folgenden Tagen zusätzlich zu den Wänden entweder die Decke strich, die Leisten malte oder, inklusive akrobatischer Höchstleistungen, die Holzfassungen der Fenster auffrischte. Mittlerweile hat man sich hier schon so sehr an die aufgehellten Wände gewöhnt, dass man schon gar nicht mehr weiß, welche Farbe die Wände eigentlich vor der Rundumerneuerung hatten. Einige der Redakteure sind sich sicher, dass es ein Beigeton gewesen sein muss, allerdings ein schmutziger, ein »Behörden-Beige«, wie es die eine Kollegin ausdrückt, eine »Unfarbe«, wie die andere sagt. Wieder andere meinen, die Farbe sei doch heller gewesen, ein trübes Gelb, oder doch ein Terrakottaton?

So sehr man sich an die neue Farbe gewöhnt, so wenig ist der Geruch dieser Farbe etwas, mit dem man sich leicht arrangieren kann. Nach Wand, Leiste und Fenster kamen nämlich die metallenen Türen dran, und für die musste ein Lack her, der sich nicht nur auf der glatten Oberfläche, sondern auch in den Nasenlöchern hervorragend festsetzt. Da während des Trocknens die Tür aufstehen musste, roch bald die gesamte Redaktion wie ein Baumarkt. Doch alles Bitten, die Tür doch schließen zu dürfen, prallten am Maler ab. Dieser hatte sich allerdings schon eine Strategie zurechtgelegt, um
den sich schon durch das Einatmen der Dämpfe im Delirium Befindenden den Geruch schmackhaft zu machen: »Ditt muss stinken, ditt heißt, dass die Farbe jut is!« Na, hoffentlich heißt das auch, dass in nächster Zeit nicht nochmal nachgestrichen werden muss.